...und der Rest der Welt erst ganz zum Schluß! Die traurige Geschichte eines gescheiterten Versuchs

Aufgeschoben...

Es war einmal vor langer langer Zeit, als der dumpfe Egoismus noch das Handeln der Menschen beherrschte, da machte sich ein Humboldtianer auf, um über sieben große Flüsse, sieben hohe Berge und sieben tiefe Täler zu einer fernen Universität zu fahren. **

Der mutige Student wollte erfahren, ob es sich dort auch studieren läßt, denn er war sehr interessiert an dem Volk, welches die Winter bei minus 40 Grad und die Sommer bei den gleichen Plugraden verbringt. Auch sprach er ihre einheimische Sprache nicht schlecht.

Das mit dem Studium war schnell geregelt. Doch begab es sich, daß die Professoren der hinter dem Wald gelegenen Bildungsstätte fragten, ob die Berliner Universität ihnen helfen könne, an westliches Know-how heranzukommen. Also gaben sie dem Gast aus dem fernen Deutschland einen Brief an den Dekan des Fachbereichs der Wirtschaftswissenschaften mit.
Dieser sah sich mit dem Schreiben stark belastet, war er doch kein Wessi und die Umstrukturierung noch nicht abgeschlossen. Aber Antwort muß sein dachte er sich wohl, und beriet sich mit seinem (potentiellen) Nachfolger.

Das Ergebnis war, daß nach der Revolution in Deutschland alles vom Kopf auf die Füße oder umgekehrt gestellt werden müsse. Dies erfordere viel Zeit und Kraft, sodaß Wissenschaftshilfe derzeit nicht möglich sei, aber in einem Jahr, da sei alles vorbei, und man könne neu über die Problematik nachdenken. So schrieb er zumindest in seinem Brief an die Leute in der "Unwissenheit".

Die, frohen Mutes, auch wenn ein wenig enttäuscht, harrten aus, um sich erneut in der bekannten Uni des großen deutschen Reichs zu melden.

...und aufgehoben

Unser reisefreudiger Student legte in seinen nächsten Ferien noch einmal die 7000 Kilometer zurück, um alles vorzubereiten. Diesmal verstärkt mit einem weiteren fernwehleidenden Pruzzen (so werden die Eingeborenen der Brandenburger Wälder in dem weiten Land genannt), sahen sie sich nicht nur die Stadt, sondern auch die Natur an. Da sie rundherum zufrieden waren, beschlossen sie: "Wir kommen wieder und überwintern hier!".

Während sie sich langsam an die Organisation des Studienaufenthaltes machten, taten sich im Fachbereich entscheidende Dinge. Die Selbstbestimmungsorgane wurden gewählt, man umbenannte sich in Fakultät und die Profs und ihre Büros wurden auch immer zahlreicher. Zu dieser Zeit erreichte die Honoren der WiWi-Fak ein neues Schreiben aus dem Ort, wo sich die Füchse "Gute Nacht!" sagen. Man bat für die Berliner Studenten, inzwischen hatte sich ihre Zahl auf drei erhöht, im Austausch drei Fremdländische in die Trutzburg des Wissens schicken zu dürfen. Gleichzeitig wurde vorgeschlagen, über eine Kooperation nachzudenken, und der Dekan der friderizianischen Fakultät sei herzlichst eingeladen, dem Treiben einiger seiner Studenten zu folgen, und sei es nur für ein paar Tage.

Doch oh große Not, die Eigennutzmaximierer fühlten sich immer noch im Neuaufbau begriffen und konnten dem Anliegen nicht behilflich sein. Man verblieb mit freundlichen Grüßen, aber ohne Angabe, wann das Haus endlich fertig sei, um Gäste zu empfangen.

Inzwischen sind die Studenten wohl abgereist. Wir wissen es nicht, denn der Bericht des Geschichtsschreibers endet an dieser Stelle abrupt. Vielleicht hat ihn selbst das Reisefieber gepackt und er ist mit ihnen in das Reich des Zaren Boris gereist.

Wir wissen nur, daß Entwicklungshilfe in der Wissenschaft heute ein Muß für jede gute Universität ist. Vorbei sind die Zeiten der westlichen Nabelschau.

  do swidanija   André

** Gemeint ist nicht Hinterindien, sondern die Universität der Stadt Barnaul im sibirischen Teil Rußlands.