Perspektivenwechsel

Ein neues Projekttutorium an der WiWi Fak

Um es vorweg zu sagen: Es wird keine Scheine und keine Punkte in diesem Seminar geben, dafür aber auch keinen Professor, der Themen verteilt und nach dem obligatorischen Referat zur Bewertung schreitet.

Unserer Meinung nach gibt es gerade an unserer Fakultät zu wenig Orte, wo wichtige Zukunftsfragen, die ja Ökonomen allemal etwas angehen, diskutiert werden. Deshalb haben wir, Markus Braig und ich, mit Unterstützung der Universität ein sogenanntes Projekttutorium organisiert. Und unser Projekt ist es, die ökonomische Wissenschaft einmal von außen, also aus der Sicht anderer Disziplinen zu betrachten.

Es gab in der Vergangenheit verschiedene Versuche, das Instrumentarium der Ökonomie auf außerökonomische Lebensbereiche anzuwenden (Gary Becker, einer der verrücktesten Chicago Boys, hat z.B. Nutzen und Kosten der Kunst und der Liebe untersucht!). Wir wollen  den umgekehrten Weg gehen und fragen, was andere Wissenschaftsdisziplinen, wie Philosophie, Soziologie, Psychologie u.a., über den grundlegenden Gegenstand der Wirtschaftswissenschaft, das ökonomische Handeln des Menschen aussagen.

Drei thematische Schwerpunkte sollen dem Seminar einen Rahmen geben, dennoch genügend Raum für Eure Vorschläge und Ideen lassen:
1. Was ist ökonomische Rationalität? Kann sie das einzige oder wesentliche Kriterium sozialen Verhaltens sein?
2. Gerade im Hinblick auf die ökologische Dimension von ökonomischen Theorien ergibt sich daraus eine weitere Fragestellung: Trägt das ökonomische Prinzip der Nutzenmaximierung an sich durch seine Maßlosigkeit zur Naturzerstörung bei und welche Begrenzungen kann es für wirtschaftliches Handeln geben?
3. Zur Institution des Marktes.
Erste Lektüre-Vorschläge: Jürgen Habermas; Max Weber („Protestantische Ethik“); Karl Polanyi („Ökonomie und Gesellschaft“); Elmar Altvater („Die Zukunft des Marktes“)

Zu theoretisch? Sicher nicht, denn aus diesen Überlegungen ergeben sich ja ganz praktische Konsequenzen. Und bestimmt kann man, nachdem man einer Theorie wie der vom homo oeconomicus einmal auf den Grund gegangen ist, sich den „großen“ Denkgebäuden der Ökonomie viel respektloser nähern.
Wir werden die unsere Drohung, selbständig zu denken, also in die Tat umsetzen - gemeinsam ausgewählte Literatur studieren und diskutieren, auch und gerade mit Studenten anderer Fachbereiche.

Carsten Sprenger