1000.- Studiengebühren - ein historischer Abriß

WS 1993/94: Berlins Kultur- und Wissenschaftssenator Erhard ruft den “faulen Langzeitstudenten” in das Gedächtnis politisch-engagierter und berufstätiger Leute. Eine großangelegte Kampagne auf Kosten der gesamten Studentenschaft nimmt ihren Lauf. Von zu zahlenden eintausend Mark Studiengebühren höre ich das erste Mal. In unserer Fakultät herrscht Aufbruchstimmung. Die ersten Aktionsgruppen bilden sich. Manche können sich durch das große Engagement einiger Studenten langfristig halten,  z.B. Evaluierung und Studentenzeitung Hermes. Prüfungsordnungen werden verschärft. Die Fakultät, die es am schnellsten schafft, ihre Studenten bezüglich Einhaltung der Regelstudienzeit zu disziplinieren, kann mit öffentlichem Lob rechnen. Unser Haus zeichnet sich bei der Umsetzung durch erstaunliche Schnelligkeit aus. ...

WS 1995/96: Auch mit dem neuen Kultur- und Wissenschaftssenator Radunski scheint es, wieder einen heißen Winter zu geben. Der politische Senat Berlins beschließt immense Einsparungen an den drei Universitäten. Einhundert Mark zusätzliche “Verwaltungsgebühren” werden deklariert. Verwundern tut dabei nur, daß genau dieser Betrag bereits im Vorfeld den Universitäten gekürzt wird. Die Abwicklung einiger Fakultäten wird hinter verschlossenen Türen quasi über Nacht beschlossen. Die Autonomie der Hochschulen soll durch das ersatzlose Streichen von Paragraphen reichlich beschnitten werden. Die Einführung von eintausend Mark Studiengebühren werden von Herrn Radunski fast täglich über die Medien proklamiert.

SS 1996: Schon vor dem Beginn des Semesters tagt der Akademische Senat (AS) der Humboldt-Uni und beschließt die Durchführung von Hochschultagen in der zweiten Semesterwoche, sowie eine Großdemonstration aller Berliner Universitäten. Die inhaltliche Ausgestaltung liegt in der Hand der jeweiligen Fakultäten – also der der Professoren, Assistenten und Studenten.

Von unserem frischgewählten Dekan Prof. Blankart wird angeregt, daß alle Institute verschiedene Arbeitsgruppen anbieten könnten, um über die aktuelle Thematik wissenschaftlich zu diskutieren. Ob diese Veranstaltungen nun aus Zeitmangel, Inkompetenz, Faulheit oder sonstigen Gründen nicht stattgefunden haben, ist leider nicht bekannt. Eine von Herrn Blankart einberufene Podiumsdiskussion wurde zur Kompromißlösung. Leider wurde dabei jedoch die Chance vertan, wirklich einmal ins Gespräch zu kommen. Eine Aneinanderreihung von Vorträgen kann meiner Meinung nach nicht als Diskussion verstanden werden.

Die Hochschultage verliefen an unserer Fakultät ansonsten eher ruhig, scheinbar definieren Profs, Assis sowie Studis Aktionstage gleichermaßen als “aktives Fernbleiben”. So fanden sich rund 30 (von 1600 immatrikulierten) Studenten unserer Fakultät zusammen, um über die aktuellen Probleme zu diskutieren und in Arbeitsgruppen mitzuwirken.

Am 24.05. marschierte dann eine Handvoll Studenten, Assistenten und Professoren hinter unserem nicht sehr aussagekräftigen Transparent von der TU über den Kudamm bis hin zum Roten Rathaus. Dort stieß man dann, Gott sei Dank, noch auf ein paar mehr WiWis. Ansonsten wäre unser Dekan wohl ziemlich enttäuscht gewesen

Am 07.05. beschließt der AS die VL temporär auf die Straße zu verlegen. Die in unserem Haus stattfindende Vollversammlung (diesmal mit einer für die WiWi- Fak. überdurchschnittlichen Beteiligung von etwa 200 Studenten) kommt zu dem selben Ergebnis, auch wenn einige von der Wirksamkeit dieser Aktion nicht so recht überzeugt sind. Weitere Vorschläge werden diskutiert. Neue Arbeitsgruppen bilden sich.

Außerdem kann an einer Fahraddemonstration, Menschenketten vor dem Roten Rathaus, Bücherpflasterung, Mahnwache etc. teilgenommen werden.

Das werden sicherlich nicht die letzten Aktivitäten gewesen sein, schließlich läuft dieses Semester unter dem Motto “UNI in Aufruhr”

Antje