Es ist noch kein Master vom Himmel gefallen.

...und schon gar nicht von unserem Fakultätsdach. Also, wie ihr ja sicherlich schon alle mitbekommen habt, gibt es an unserer schönen Fakultät inzwischen einen neuen Studiengang. Er heißt „Master of Science in Economics and Management Science“. Wie der Name schon leicht andeutet, ist das Ganze ein auslandsorientierter Studiengang mit zusätzlichen Schwerpunkt auf quantitativen Fächern (wie sollte es an der Wiwi-Fak auch anders sein). Deswegen bekommt man am Ende auch kein Diplom, sondern einen Master, weil sich das im Ausland besser ziemt und in Deutschland eventuell auch schon ein paar Personalchefs davon gehört haben.

Internationale Elite-Fak SPA 1?

Wie Ihr wahrscheinlich auch alle mitbekommen habt, versucht die Wiwi-Fak schon seit längerem der Versuchung, aus unserem Häuschen eine Elite-Schule zu machen, nicht zu widerstehen. Außerdem gibt es Gerüchte, daß der Senat gedenke, die optimale Zahl der Wiwi-Faks (bzw. im Westen: -Institute) auf eins zu korrigieren. Da muß man natürlich schon was Schickes vorweisen können, damit die FU dichtgemacht wird (die TU scheint sowieso schon abgeschrieben zu sein). Gut, also führt man auf Basis des neuen Hochschulrahmengesetzes (ihr erinnert euch: Damals im Streik ging es neben dem Eurofighter und der Kenntlichmachung von männlich dominierten und auf Europa ausgerichteten Denkstrukturen auch um das HRG) diesen neuen Studiengang ein, der sowas wie Wirtschaftswissenschaften mit Auslandsorientierung darstellt. Das Ganze läuft im Lehrstuhl von Wickström ab, der von den anderen Professoren mehr oder weniger freiwillig zum Auslandsbeauftragten ernannt wurde. Problem bei der ganzen Sache war, daß der DAAD den Studiengang sponsert, aber erst ab Mai klar war, daß er das auch tut. Im Juli kam dann das Geld, so daß von Anfang an nicht übermäßig viel Zeit zur Verfügung stand, mal so´n Studiengang aus dem Boden zu stampfen. Zu diesem Zweck wurde dann Daniel Clark als HiWi angestellt, der bis auf die Anträge an den Senat etc., die von Wickström gemacht wurden, so ziemlich alles andere gemacht hat. Einige HiWis müssen halt kopieren, andere Studiengänge aufbauen. Das kommt von der Arbeitszeit zwar nicht so ganz hin, aber daß die Arbeitsbelastung der HiWis zwischen den Instituten leicht schwankt (so zwischen 5 und 35 Stunden die Woche), weiß man ja. Natürlich haben sich am Anfang, als Wickström den Studiengang vorgestellt hat, die Professoren einstimmig dafür ausgesprochen und sich damit eigentlich auch verpflichtet, ihre VL zum Teil auf Englisch zu halten. Zwecks Internationalität hat man dann noch Ausländer aus der ganzen Welt nach Berlin, Hauptstadt der BRD, gelockt. Dafür hat Daniel Broschüren bis in den Regenwald geschickt, auf denen stand, was man so alles machen muß und die nett aussahen. Da gab es allerdings schon das erste Problem, denn so spontan sind nicht allzuviele, sich von Indonesien aus mal aufgrund einer Broschüre zu bewerben, auf der steht: ”Neuer Studiengang, Anmeldung nächste Woche, Informationsveranstaltung gestern, einzureichen 5 Kilo Papier”. Aber es haben sich doch mehr als genug Bewerber gefunden, am Ende waren es 9 Deutsche (alle von der Humboldt) und 21 Ausländer. Es dürfen irgendwie nicht mehr als 50 Prozent Deutsche sein, damit das Prädikat ”International” nicht überheblich erscheint. Die Ausländer kommen aus aller Herren Länder, wie z.B. Usbekistan, Usbekistan und Usbekistan. Nein, also abgesehen von den 6 Usbeken, die die usbekische Regierung in ihrem Auslandsaufenthalt unterstützt, solange sie hinterher auch für die Regierung arbeiten, sind noch Vertreter aus Hong Kong, Indonesien, Sudan, Rußland, China, Pakistan, Indien, Malaysia, Frankreich und nicht zuletzt Griechenland hier.

Müssen wir uns jetzt Frau Gertich und Herrn Prof. Dr. Siegel auf Englisch antun?

Hochmotiviert erschienen sie also alle in Deutschland. Deutsch allerdings können die wenigsten (wenn überhaupt), da in der Broschüre stand, man müsse das nicht können, zumindest im ersten Semester nicht. Es gab dann auch Einführungsveranstaltungen seitens verschiedener Professoren, sogar ein Stadtrundgang (damals war noch keine Regen- oder Eiszeit) wurde von Daniel angeboten, im Gegensatz zu den versprochenen Vorlesungen auf Englisch. Die meisten Professoren konzentrierten nämlich ihr Engagement mehr auf das allgemeine Gutheißen des Studienganges, evtl. noch auf eine Einführungsveranstaltung und teilweise durch das Dabeisein im Komitee. Die Profs, die, wie gesagt vorher einstimmig für den Studiengang und englische VL votierten, hatten das dummerweise über die Ferien vergessen und inzwischen nicht mehr soviel Lust, irgendwas damit zu tun zu haben. Teilweise schoben sie das auf die mangelhafte Organisation und Unverantwortlichkeit gegenüber den deutschen Studenten, die sich auf deutsche VL eingestellt hatten, was den Ausländern aber auch nicht viel weiter geholfen hat. So gehen jetzt halt alle Ausländer zu Prof. Matthews´ Kurs, egal ob sie das in irgendeiner Weise interessiert oder nicht. Pflichtvorlesungen gibt es dieses Semester erstmal gar nicht auf Englisch. Allerdings gibt es jetzt langsam mehr und mehr Professoren, die sich inzwischen daran erinnern, daß sie sich eigentlich ja mal für den Studiengang ausgesprochen haben, und Übungen auf Englisch halten, oder Assignments auf Englisch, statt Klausur, akzeptieren.
Auf Ökonometrie hatten trotz englischer VL auf jeden Fall alle irgendwie dann doch keine Lust, wahrscheinlich weil keine andere Uni in der Welt Ökonometrie im Grundstudium verlangt. Jetzt tritt hier inzwischen allerdings die Situation auf, daß, obwohl kein einziger Masters-Teilnehmer, geschweige denn jemand, der kein Deutsch kann, die Ök-VL besucht, diese jetzt aber trotzdem auf Englisch ist. Daß in Ökonometrie z.B. eine Ausländerin saß, die zwar Deutsch aber kein Englisch kann, ist dann nicht weiter wichtig, die kann sich dann halt ein neues Wahlpflichtfach suchen oder ein Jahr warten. Und da gibt es eine Menge Leute bei uns, die z.B. aus den GUS Staaten kommen und froh sind, jetzt endlich richtig gut Deutsch zu können. Daß die VL jetzt auf Englisch ist, liegt daran, daß, wenn ein einziger Teilnehmer einer Hauptstudiumsvorlesung den Wunsch äußert, er würde die VL lieber auf Englisch hören, bei manchen Profs diese jetzt auf Englisch gehalten wird. Das nennt sich „English on demand“ und war für das Masters Programm gedacht. Funktionieren tut das auch, in Skandinavien, hier allerdings, wie gesagt, nicht so. Begründet wird das alles mit dem §15 über Fremdsprachenkenntnisse der VWL-Studienordnung, der da (ungekürzt) lautet: ”Es wird vorausgesetzt, daß die Studierenden englischsprachige Fachliteratur lesen können. Entsprechende Kenntnisse in weiteren Fremdsprachen sind erwünscht”. Wie sich daraus allerdings ableiten läßt, daß man englischsprachigen VL folgen können muß, ist mir noch ein wenig unklar. Besagter § ist übrigens der einzige in Prüfungs- und Studienordnung, der sich mit dem Thema Fremdsprachen beschäftigt, ist also das einzige, was man normalerweise an Informationen zu dem Thema, z.B. als Uni-Wechsler, oder auch als normaler Student, bekommt. In Zukunft wäre es wohl nicht schlecht, wenn allen Leuten, die neu an die Humboldt kommen, irgendwie ein wenig direkter gesagt würde, daß es hier auch sowas, wie englische VL gibt. Wir haben dafür jetzt noch wenigstens ein paar lustige Überraschungen im Hauptstudium.

Konfusion, Unklarheiten und Verzweiflung

Damit die ganze Sache nicht zu einfach wird, hat man zusätzlich noch mal schnell über die Ferien die Prüfungsordnung geändert, nachdem sich die Studenten schon einschreiben mußten. Also einschreiben mußten sich die deutschen Teilnehmer eigentlich doch noch nicht, aber es wäre ja wiederum zu zuvorkommend gewesen, es ihnen mitzuteilen, bevor die angebliche Einschreibefrist abläuft. Jetzt muß man also nicht, wie in den Broschüren angegeben, nach der modifizierten VWL-Prüfungsordnung studieren, sondern noch ein paar BWL-Kurse wählen. Von den Pflichtkursen existieren zwar nicht alle, aber das soll bald geändert werden. Eventuell, d.h. früher recht sicher, inzwischen nur noch recht eventuell, kann man sich als früherer Humboldtdianer aber auch entscheiden, doch nach der modifizierten VWL Prüfungsordnung studieren. Dann muß man laut dieser PO zwar wieder ein paar Kurse belegen, die es nicht gibt, aber so genau sollte man die PO wohl nicht nehmen. Dann kriegt man, wiederum eventuell, aber kein Masters, sondern ein Diplom im auslandsorientierten Studiengang. Vielleicht bekommt man dann allerdings doch ein Masters, muß man bloß noch mal kurz einen Antrag stellen, und dann kann man abwarten, ob man vielleicht doch nach dem Schema studieren darf, aufgrund dessen man sich ja beworben hat. Man kann auch sein VWL-Diplom und seinen Masters sozusagen als Doppeldiplom machen, kein Problem, muß man nur noch einen Antrag stellen, dann wird festgelegt, was man dafür eigentlich machen muß. Zum Glück kann man seinen Antrag dann auch wieder zurückziehen, wenn einem das dann doch nicht so gefällt. Leider waren all diese Sachen, wie man merkt, noch nie klar, auch der Prüfungsamtsvorsitzende hatte keine Ahnung, wie das alles abläuft. So gehörte schon ein wenig Mut dazu, sich für etwas zu bewerben, von dem keiner weiß, was da am Ende eigentlich herauskommt.
Ach ja, fast hätte ich es vergessen, der Studiengang existiert rechtlich überhaupt nicht, da fehlen noch Zustimmungen, weil man laut Senats-Interpretation des neuen HRG´s dafür eigentlich vorher irgendwann mal einen Bachelor gemacht haben muß. Es kann jetzt sein, daß die Masters-Leute irgendwann den Bachelor rückwirkend anerkannt kriegen, einen Masters ohne Bachelor machen oder gewaltig in die Röhre gucken (letzteres ist aber zum Glück nicht allzu realistisch). Aber bis die ersten ihren Abschluß machen, werden diese Probleme wohl gelöst sein. Das Programm wird übrigens an der HU sozusagen als Pilotprojekt beobachtet, wenn es erfolgreich sein sollte, wird das woanders in der Republik evtl. nachgeahmt.

Ins Ausland müßt ihr? Das hättet ihr euch wohl so gedacht!

Zu den Anforderungen um ein Masters-Abschluß zu bekommen, gehört auch, daß man ein oder zwei Semester im Ausland studiert. Abgesehen von der rechtlichen Fragwürdigkeit, so etwas in die Prüfungsordnung zu schreiben, ohne garantieren zu können, daß jeder Student auch diese Anforderung erfüllen kann, da er evtl. nirgendwo angenommen wird, war die sonstige Sache mit dem Ausland auch nicht besonderes clever gelöst, sondern eher gar nicht. So wurde den Ausländern kurz vor Abgabetermin der Bewerbungen für Studienplätze an den Partneruniversitäten der HU mitgeteilt, sie sollten sich mal schleunigst bewerben, falls sie irgendwo außerhalb Europas studieren wollen. Daß man dafür allerdings eine Aufstellung aller bisher besuchten Lehrveranstaltungen mit Stempel des zuständigen Prüfungsamtes (z.B. in China), zwei Professorengutachten (z.B. von HU-Profs, die einen dann vielleicht doch mal auf dem Gang gesehen haben) und noch circa drei Kubikmeter anderes Papier einreichen muß, hat sich wahrscheinlich noch nicht rumgesprochen. Zumindest nicht soweit, daß man es für eine gute Idee gehalten hätte, dieses den Studenten ein wenig früher (z. B. vor Verlassen ihres Kontinents) mitzuteilen. Denn die im Prospekt vielgerühmten und sogar aufgezählten ”Kontakte zu ausländischen Universitäten”, die vermuten lassen, das man mal einfach so über die Fakultät ins Ausland kann, sind von relativ unbekannter Natur, auf jeden Fall nicht von der, die sowas wie Austausch von Studenten tangiert.

Es war nicht alles schlecht...

Aber zurück zum eigentlichen Ablauf an unserer Fakultät. So wurden z.B. löblicherweise 2 Tutoren + 1 Mathetutor eingestellt, die den Ausländern helfen sollen, mit der Wiwi-Fak und ihrer Mathe-Verehrung klarzukommen. Auch wurden HU-Studenten gefragt, ob sie sich nicht als „Godparent“ zur Verfügung stellen wollen, um den Leuten zu zeigen, wie man das in Berlin so macht: leben. Der Höhepunkt des ganzen Master-Programms war bisher dann auch die Party, die in diversen Establisments noch bis in die frühen Morgenstunden des übernächsten Tages fortgesetzt wurde.

Fazit

Man kann also sagen, daß man von der Organisation des Programms teilweise den Eindruck hatte, sie sei arg über´s Knie gebrochen worden, vielleicht deswegen, weil sie das auch war. Ist natürlich schon eine Leistung, einen Studiengang in ein paar Monaten (seit der DAAD seine späte Zustimmung zur Förderung gegeben hat) komplett neu zu erschaffen. Wahrscheinlich hätte der DAAD auch kein Geld gegeben, falls das Ganze erst nächstes Jahr angefangen hätte. Aber trotzdem wäre es evtl. besser gewesen, die Sache um ein Jahr zu verschieben und alles ein wenig besser vorbereitet zu haben.

There´s a light...

Aber jetzt hat man wenigstens ein Fundament auf dem man aufbauen kann. Nächstes Semester gibt es erstmal einen Haufen Sachen auf Englisch, so daß die Masters-Teilnehmer dann glücklicherweise ihre notgedrungenen 8-Semesterwochenstunden in diesem Semester mit so 30-40 Stunden pro Woche im nächsten Semester ausgleichen können.
Bald aber setzen sich Daniel Clark, Charlotte Möser und Jan Hansen (wer auch sonst) hin, und basteln einen Plan für nächstes Jahr, damit das Ganze dann besser läuft. Die VL sollen im 2-Jahre Rhythmus entweder fest in Deutsch oder in Englisch sein (falls dann keiner da ist, der sie auf Englisch hören will, sollen sie doch auf Deutsch sein). Es soll dann also möglich sein, sein Hauptstudium in normaler Zeit weitgehend in der Wunschsprache (aber nicht gänzlich ohne die andere Sprache) zu absolvieren, ohne daß die Kapazitäten damit überlastet werden. Auch sollen mehr soziale Events steigen, damit die Teilnehmer (Bewerbungen für nächstes Jahr liegen schon in rauhen Massen vor) besser integriert werden. Na ja, dann hoffen wir mal, daß die ganze Sache irgendwann reibungslos funktioniert, zumindest eins ist aber jetzt schon klar: Spannender ist es mit den Ausländern an unserer Fakultät schon.

(ZE)