Der Weg zur Elite

Die Zukunft kommt. Sie eilt geradezu heran, mit fliegenden Fahnen und dröhnenden Trompeten, die uns aus dem Dornröschenschlaf wecken sollen. Und wir? Gehen wir ihr entgegen? Oder warten wir, stoisch in die Ferne blickend, bis sie über uns kommt, ohne für ihren Ansturm gewappnet zu sein?

Die Fakultät hat sich entschlossen, einen Schritt zu tun. Er ist zwar zaghaft, langsam und von unglaublicher Schwerfälligkeit, aber immerhin bringt er uns ein Stück nach vorn, dorthin, wo Exzellenz und Einzigartigkeit irgendwann mal Wirklichkeit werden sollen.
Am 17. November beschloß der Fakultätsrat der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät die neuen Prüfungsordnungen für BWL und VWL, über ein Jahr nachdem die ersten Verhandlungen dazu begannen. Damals, im Wintersemester 1998/99, wurde man sich bewußt, daß die Prüfungsordnungen von 1994 am 31. 12. 1999 auslaufen würden. Es stellte sich die Frage, inwieweit diese Satzungen auch dem neuen Jahrtausend gerecht werden könnten.

Die Eröffnung der Möglichkeiten ...

Die Probleme mit der alten Prüfungsordnung sind bekannt: die Fristenregelungen im Grundstudium in Verbindung mit starren Prüfungsblöcken regten mehr zur Verlängerung des Studiums als zur Verkürzung desselben an. Die traditionellen Blockprüfungen erwiesen sich ebenfalls als Hemmschuh beim schnellen Studieren. Es fehlten Anreize wie Freiversuche und Möglichkeiten des vorzeitigen Ablegens von Prüfungen. Die Anerkennung von auswärtigen Prüfungsleistungen wurde so streng gehandhabt, daß Auslandssemester keinen Studienfortschritt brachten, Studienortwechsler benachteiligt und Fächer, die nicht zum begrenzten Horizont der Fakultät gehörten, als nicht existenzberechtigt und anerkennenswert betrachtet wurden, wenn man sie notgedrungen in der Außenwelt belegte. Und zu guter Letzt versagen sich bis zum Ende des 3. Semesters ca. 60% aller Studienanfänger der Fakultät, und das eben nicht aufgrund von Aussonderung durch Leistungsüberprüfung oder Rausschmißparagraphen gegen Langzeitstudenten. Nur 14% aller Studienanfänger beenden das Grundstudium in der Regelstudienzeit. Es wird ihnen halt so schwer wie möglich gemacht, schnell zu studieren. Eigentlich ein Skandal in Zeiten der Diskussion um Studiengebühren und internationaler Ausrichtung und Konkurrenzfähigkeit. Nur eines war modern an den 94'er Prüfungsordnungen: Das unter Erprobung stehende Credit-Point-System im Hauptstudium der VWL, das sich durch den Ausweis der bundesweit kürzesten Studienzeiten in diesem Fach beweiskräftig und glänzend bewährte.

Die Ziele einer neuen Prüfungsordnung (zumindest aus Sicht der Studierenden) waren also:

  1. Auflösung der starren Prüfungsabfolgen und Blockprüfungen im Zusammenhang mit den damit verbundenen Fristenregelungen und gleichzeitig die Einführung eines Anreizsystems im Grundstudium
  2. Auflösung der ABWL- und BBWL-Blockprüfungen im Hauptstudium und damit auch hier die Einführung eines Credit-Point-Systems
  3. Organisation neuartiger Prüfungszyklen, die es ermöglichen, Nachschreibeklausuren unmittelbar nach dem Bekanntwerden der Prüfungsergebnisse zu schreiben, mehr Prüfungen pro Semester zu absolvieren und den Prüfungszeitraum zu begrenzen
  4. Freischußregelungen als Anreize in Grund- und Hauptstudium
  5. Erleichterte Anerkennung von auswärtigen Leistungen und damit Förderung der internationalen Mobilität der Studierenden
  6. Verpflichtendes Studium Generale im Grundstudium, um den vielen Studienfachwechslern in den ersten Semestern eine frühe Absprungschance und eine uniweite Orientierungsmöglichkeit zu geben und gleichzeitig den Horizont der Wirtschaftsstudenten zu erweitern
  7. Flexibilisierung des Hauptstudiums zugunsten selbstbestimmter spezieller oder allgemeiner Ausrichtung des Studiums

Was ist aus den hehren Ansprüchen geworden? Diskussionsprozesse sind auf die Dauer zermürbend, und Kompromisse führen nicht selten zu komplizierten Paragraphen und "Weder-Fisch-noch-Fleisch"-Regelungen. Dabei fielen Ideen, wie z.B. die Flexiblisierung des Hauptstudiums BWL durch freie Auswahl des Studierenden, inwieweit er sich spezialisiert bzw. allgemein bildet, ebenso unter den Tisch wie der Versuch, Wahlmöglichkeiten im Grundstudium zu schaffen. Jedoch neben dieser für die Prüfungsordnung 2000 charakteristischen Eigenschaft ist sie auch deshalb ein wahrer Kompromiß, weil in den vielen kleinen Details sich eben sowohl die Vorstellungen der Professoren als auch die der Mitarbeiter und Studierenden wiederfinden und viele dieser Resultate vielleicht auch gar nicht so schlecht sind.

Die Zukunft ist mit uns...

Die (vorläufigen) Ergebnisse seien hier kurz zusammengefaßt und vorgestellt.

Allgemein:
Grundsätzlich werden Prüfungen nicht mehr in jedem Semester angeboten, sondern immer nach jeder Veranstaltung am Anfang und am Ende der Semesterferien. Der Prüfungszeitraum wird wahrscheinlich jeweils zwei Wochen betragen, in denen dann alle Prüfungen geschrieben werden können. Den Professoren steht es natürlich frei, auch mehr Prüfungsmöglichkeiten zu schaffen.

Für die immer wieder problematischen Prüfungsanmeldungen soll eine kostenpflichtige Nachfrist eingeführt werden.

Die Anrechnung von auswärtigen Prüfungsleistungen ist nicht mehr automatisch mit einer sogenannten Gleichwertigkeitsprüfung verbunden. An anderen Universitäten in der Bundesrepublik erbrachte Leistungen werden pauschal anerkannt, die Möglichkeit der Auflagen bei Anerkennung des Grundstudiums besteht jedoch weiter.

Grundstudium:
Die BWL I und II-Prüfungen sowie die MikroI/VWL-Prüfungen werden in einzelne Prüfungen aufgelöst. Dasselbe geschieht formal auch mit den Rechtsprüfungen, die ja auch jetzt schon getrennt geschrieben werden. In der BWL II wird es zukünftig auch wieder die Veranstaltung Organisation/Entscheidung geben. Die bisherigen Scheinklausuren Buchhaltung und Wirtschaftsgeschichte werden zu echten Prüfungen, ihre Note geht damit auch in die Grundstudiumsnote ein, sie sind allerdings auch nicht mehr beliebig oft wiederholbar. Die Buchhaltungsklausur wird zukünftig auch nur noch 2 Stunden lang sein. Damit gibt es im Grundstudium insgesamt 24 Klausuren. Hinzu kommt die Verpflichtung des Nachweises von 4 SWS im Studium Generale.

Die Prüfungsblöcke (3./4.Semester) werden aufgehoben, es gibt zwar eine Empfehlung für die Reihenfolge, jedoch kann man grundsätzlich jede Prüfung schreiben, wann man will. Gleichzeitig wird jedoch eine neue Zeitbegrenzung eingeführt. Jede Prüfung muß bis zum Beginn des 6. Semesters wenigstens einmal probiert worden sein, ansonsten gibt es dort die allseits beliebte Fünf, nur bei Ökonometrie, Makro II und Organisation/Entscheidung hat man bis zum Beginn des 7. Semesters Zeit.

Hauptstudium BWL:
Die ABWL und BBWL-Blockprüfungen werden aufgelöst und Credit Points eingeführt. Das heißt, daß in Zukunft jede Veranstaltung (oder manchmal auch zwei) einzeln abgeprüft wird. Dazu kommt, daß es eine Höchstgrenze von nichtbestandenen Prüfungen gibt (sogenannte Maluspunkte), die bei 32 SWS liegt. Wer mehr hat, fliegt raus.

Die neue ABWL umfaßt dann 7 Veranstaltungen (und damit auch Prüfungen), die allesamt Pflicht sind. In der AVWL muß man 2 der insgesamt 6 Pflichtprüfungen wählen, der Rest ist frei wählbar aus der ganzen VWL, insgesamt beträgt der Umfang 12 SWS.
Die BBWLs als Credit-Point-Prüfungen umfassen jeweils 12-14 SWS, das Wahlpflichtfach 10-12 SWS. Es wird parallel zur VWL ein Ergänzungsfach eingeführt, das auch in die Diplomnote eingeht.

Außerdem werden ein Freischuß und eine Fristenregelung installiert. Der Freischuß im Hauptstudium der BWL besagt, daß, wenn ein Student im 6. Fachsemesters seines gesamten Studiums (wobei Urlaubssemester wegen Prüfungsvorbereitung als Fachsemester mitgezählt werden) mehr als die Hälfte seiner Hauptstudiumsprüfungen absolviert hat, er Prüfungen im Umfang dessen, was er über dem Soll ist, wiederholen kann und dann jeweils die bessere der beiden Noten zählt. Die Fristenregelung ist ähnlich dem Grundstudium geregelt. Wer bis zum Ende des 6. Fachsemesters des Hauptstudiums und des 13. Fachsemesters insgesamt nicht jede Prüfung des HS einmal versucht hat, kriegt eine Fünf in den jeweiligen Prüfungen.

Hauptstudium VWL:
Innerhalb der Volkswirtschaftslehre hat sich nicht allzuviel verändert. Nach wie vor beherrschen Wahlmöglichkeiten und Anrechnungspunkte das Geschehen. Neu hinzugekommen die Anrechnung des Ergänzungsfaches auf die Diplomnote und der Freischuß, der allerdings von der entsprechenden BWL-Regelung abweicht. Hier zählt als Grenze das 2. Fachsemester des Hauptstudiums. Wenn zu diesem Zeitpunkt mehr als die Hälfte des Hauptstudiums bestanden wurde, können im Umfang der Differenz ausgewählte Prüfungen wiederholt werden.

Wohin das alles noch gehen soll ...

Die genannten Regelungen sind auch erst einmal vorläufig. Die Ordnungen müssen jetzt ihren beschwerlichen Weg durch die Universitätsgremien antreten und schließlich noch von der Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur bestätigt werden. Das kann eine Weile dauern, insbesondere die Fristenregelungen und die hohe Anzahl an Prüfungen sind kritische Punkte. Jedoch wird allgemein gehofft, daß die Ordnungen rechtzeitig zum Wintersemester 2000/2001 in Kraft treten. Die lieben kleinen süßen neuen Erstis werden dann die ersten Erfahrungen mit den neuen Regelungen machen, und auch alle Studierenden, die ab diesem Zeitpunkt in das Hauptstudium kommen, werden unter der PO 2000 weiterstudierenden. Alle, die sich im Grundstudium oder im Hauptstudium gerade befinden, können wählen, ob sie nach der alten oder der neuen Ordnung weiterstudieren. Um diese Wahl zu erleichtern, werden wir im nächsten HERMES noch einmal alle Haken, Ösen und auch Vorzüge der neuen Ordnungen detailliert und tiefgründiger als obige Abhandlung vorstellen. Der StudentenRat wird gleichzeitig im Sommersemester auch Informationsveranstaltungen zu diesem Thema anbieten.

Der Blick nach vorn ...

Ich hoffe, bei der obigen Auflistung erst mal keine wichtige Änderung vergessen zu haben. Zugegebenermaßen klingen einige der genannten Regelungen sehr hart (was sicher nicht an den studentischen Aushändlern liegt), und die Erfolgswahrscheinlichkeit der Neuerungen ist schwer abzuschätzen. Diese Prüfungsordnung ist quasi ein Experiment, in Teilen auch ein Versuch, von einer strikten, regulativen "Nachfragepoltik" zu einer infrastrukturbegünstigenden "Angebotspolitik" zu kommen.

Letztendlich wird eben besagte risikoreiche, stürmisch heraneilende Zukunft zeigen, ob sie den kleinen Schritt, den wir ihr aus Achtung und Sorge entgegengehen, gebührend honorieren wird, oder ob er vielleicht doch zu klein und zaghaft war. "Auf ins nächste Jahrtausend", wispert eine Fakultät, die zwar nach vorn das sonnengebräunte, wetterzerfurchte und selbstbewußt-optimistische Gesicht eines in der Wissenschaft erfahrenen Globetrotters zeigt, innerlich aber schon die bleiernde Schwere des Rucksacks (gefüllt mit PO's und SO's 2000 sowie jeder Menge Unzulänglichkeiten in der Lehre) spürt und nur ungern die müden Augen öffnet, um mutigen Blickes den Weg zu mustern, der noch vor ihr liegt. Aber vielleicht können wir ihr ja noch ein bißchen auf die Beine helfen.

Ben