Die Macht der Worte

Stell dir vor du stehst auf der Bühne, die Leute warten darauf, dass du anfängst zu reden. Du bist aufgeregt, klammerst dich an dein Blatt Papier und redest.

Oder beim Vorstellungsgespräch: Du erzählst von dir, was du alles erreicht hast, warum gerade du ein geeigneter Mitarbeiter wirst und wie unglaublich motiviert du bist.

Oder du quatschst mit einer Person vom anderen Geschlecht und willst zeigen, wie wahnsinnig interessant du bist.

Oder du machst dich über jemanden lustig. Du findest seine Schwächen und lachst darüber.

Jede Situation der verbalen Kommunikation ist anders, doch es gibt viele Gemeinsamkeiten. Neben der Gestik und Mimik bildet die Sprache die äußere Schicht, die Maske einer Person.

Wir leben in einer Welt verbaler Zusammenhänge. Alles was wir sehen, denken und fühlen, können wir in Worte verpacken, anderen mit äußerster Präzision das eigene Gedankenbild übertragen.

Die Sprache dient zur Übertragung von Fakten. Ist das alles? Nicht ganz. Wenn du den Mund aufmachst und einen Redefluß erzeugst, was glaubst du, wie klein der Anteil an puren Fakten ist. Egal, was du gerade redest, viel mehr erzählst du über dich selbst, über deine Einstellung zur Welt, über die Stellung in der Gesellschaft, in der du zu sein glaubst, ob du vertrauenswürdig bist oder nicht, ob du aggressiv oder frustriert oder unsicher oder fröhlich bist. Diese Liste kann man endlos fortsetzen.

Einer der wesentlichsten und offensichtlichsten Bestandteile der verbalen Informationsverbreitung ist die Aussage über die Gruppenzugehörigkeit und die kulturelle Identität.

"Ey wat'n ey? Die janzen Bonzen zahlen do ooch keene Steuern."

"Lass mal nicht in die Kurve gehen, da sitzen sowieso nur Proleten..." (Nein nein, ich sitze auch selber bei Hertha in der Kurve)

"Warum wurde die Bibliothek in Ostfriesland geschlossen? Jemand hat das Buch geklaut."

Es gibt selbstverständlich keine Ständegesellschaft mehr. Die Leute wollen sich jedoch nach wie vor einordnen, beziehungsweise sich von vielem distanzieren. Neben dem Erscheinungsbild und Statussymbolen wie z.B. Autos ist die Sprache ein wesentliches Instrument dafür.

Ich erinnere mich an ein passendes Beispiel dafür, wie jemand mir seine gesellschaftliche Herkunft und seinen krassen Bildungsmangel unter die Nase gehalten hat. Es gab bei uns in der Nähe ein sogenanntes Business-Café. Da sollten Banker und so hingehen. Die Kellner, die paßten nicht in das "Konzept" des Cafés, und außer Denen war nur ich da und saß an einem Internet-Terminal. Der Kellner kam und fragte mich persönlich in möchtegern-edlem Hochdeutsch: "Was möchte ER denn trinken?" Ich weise auf den stilistischen Nonsens hin. Später hat er es noch auf die Spitze getrieben, in dem er meinte: "Ick hab jehört, die Euro-Aktie ist wieder jefallen." Das Café hat übrigens zugemacht.

Unsere zivilisierte Welt wird immer wieder angegriffen von Demagogen, von Leuten, die ihre verbale Überlegenheit ausnutzen, um sich Macht zu verschaffen. Im 20. Jahrhundert stürzten Nazis die Welt in den Abgrund.

Die Massen fielen nicht nur in früheren Zeiten auf verbale Aggression herein und folgten dem Mob. Ein Nachwuchs-Hitler aus Kärnten beherrscht die Regeln der Medienwelt wie kein anderer. Die Massen folgen ihm wieder. Er ist einfach der Klügere.

Neulich habe ich in eine Talkshow reingeschaltet. Der Moderator, ein Vollidiot, stellt ihm Fragen:

"Herr Haider, sind Sie ein Neofaschist?" Haider schweigt, das Publikum klatscht.

"Sind Sie nationalistischer Überzeugungstäter?" Haider schweigt, das Publikum ist etwas ruhiger.

"Oder sind Sie einfach der nette Onkel von Nebenan?" - "Ja, ja, genau der bin ich!"

Volltreffer! Die Leute sind ruhig, einige im Hintergrund schmunzeln sogar. 1 zu 0 für den Demagogen. Ein faschistischer Demagoge als der nette Onkel von Nebenan.

Irgendwelche kaputten Glatzen verprügeln wehrlose Asylbewerber. Jörg Haider macht es salonfähig. Das ist die Macht der Worte.

Wir dagegen können weiterhin die Sache mit Humor relativieren. "Was machen die Ostfriesen bei Ebbe? Sie verkaufen Land an die Österreicher."

Was ist Humor? Kann man diese Frage überhaupt beantworten? Erkläre was so komisch daran ist, wenn jemand bei Glatteis hinfällt, ein anderer danebensteht, anfängt zu lachen und sich ein paar Sekunden später selber auf die Fresse packt? Was ist daran so komisch?! Humor ist ein außerordentlich effektives Instrument der Kommunikation, obwohl es kaum erklärbar ist. Auch deswegen wird die Sprache zu einem wirkungsvollen Mittel des Angriffs und der Verteidigung. Die Zunge ist ein Messer, welches durch Benutzen immer schärfer wird.

Das Thema ist so vielfältig, man könnte darüber ganze Hermeshefte, Doktorarbeiten und danach Bibliotheken vollschreiben. Um auf ein Fazit zu kommen: Werde dir bewußt, was für Möglichkeiten daraus entstehen, wenn du weißt, wie du dein Mundwerk einzusetzen hast, und dass du aufpassen musst, dass du nicht auf Lügner und Demagogen reinfällst, die dir möglicherweise verbal überlegen sind. Denke daran, daß du diese Fähigkeit gar nicht genug trainieren kannst und dich weiteres Lernen immer vorwärts bringt.

hds