Viertel nach um aus dem Computerkeller

Neulich, ich hatte wie immer den Computerkeller um viertel nach Um verlassen, also ich komme Treppe hoch, biege gerade um die Kurve, bin wie gesagt schon zwei Minuten zu spät, da trifft mich fast der Schlag.

Lammfromm, ohne zu murren, sitzen dort die Ersties. Aber nicht etwa im Hörsaal, sondern auf dem Fußboden vor der Tür. Ein gewagter Blick in 201 – und in mir keimte der Verdacht, aus Versehen in Dreharbeiten zu „Akte 2000“ geraten zu sein, die jedem Studenten der sich auf den Boden setzte, 100 Mark gaben, nur um einmal ein vollen Hörsaal filmen zu können. Sämtliche Fluchtwege voller Ersties, selbst in unmittelbarer Nähe, direkt am Pult und unter der Tafel kauerten sie.

Also setzte ich mich erwartungsvoll dazu, doch Pustekuchen! Kein „Keine Macht den Drogen“ Ulrich Meyer, kein Geld, anstatt dessen versuchte Herr Brandt auch uns auf den Vierte-Klasse-Plätzen mit tollen Tafelpräsentationen zu beeindrucken.

Doch nichts beeindruckte mich so sehr wie das Käsebrötchen in das meine Nachbarin biss, denn Essen war ja nur im Hörsaal verboten. Und so zweifelte ich wieder einmal daran, ein Elitestudent zu sein.

Zwei Tage später, ich kam „just in time“ aus dem Computerkeller, bog um die Ecke, und da, wo ich letztes Jahr noch zu den praktischen Fallstudien kam, grinste mich so ein „Betreten Verboten“-Schild an. Bei den kundigen StuRas im Turmcafé erfuhr ich von dem nunmehr rasant voranschreitendem Verfall meiner Fakultät. Bei einem äußerst schwarzen Frustkaffee blätterte ich in der Erstsemester-Broschüre (so etwas hatte es zu meiner Zeit nicht gegeben) und mir sticht ins Auge: In diesem Semester wird das Studium durch die Baumaßnahmen auf den Nachbargrundstücken ein wenig erschwert. So und nicht anders steht’s im Schlussabsatz von Prof. Dr. Hildebrandts Begrüßungsrede. Und außerdem sollen wir das Ganze mit der typischen Berliner Gelassenheit nehmen.

Zu Beginn der nächsten Woche stürme ich mal nicht um 16 nach um aus dem Computerkeller, um in der überfüllten Mathe-Vorlesung vom einem Käsebrötchen zu träumen, sondern schlendere ganz GELASSEN zur Bibliothek, um mir im Magazin die neusten Publikationen und damit wenigstens etwas für die persönliche Elitebildung zu tun. Doch siehe da, auch hier kein Vorankommen, ebenfalls Einsturzgefahr.

Doch damit nicht genug. Während ich die letzten Tage fast nur zum E-Mail schreiben in der Uny war, machen die schicken neuen Windoof 2000 Kisten auch schon die ersten Probleme – sie waren der Grund warum mein Unibesuch in den letzten Tagen nicht ganz umsonst war. Wenn sie wirklich völlig den Geist aufgeben – komme ich eines Tages ganz umsonst zur Uni?

Wie soll unter diesen Umständen mein Traumberuf „Elitestudent“ verwirklichen?

Ein ebenso wie ich sehr gelassener Student erzählte mir von einem Gespräch mit Herrn Plinke. Im Angesicht der Massen, die zu Herrn Plinkes BWL-VL wollten, sprach dieser davon, dass wir ja noch „bei weitem nicht an einer Massenuniversität studieren“. Und dass es an „anderen Unis ja noch viel schlimmer sei und die Studenten Vorlesungen per Videoleinwand auf den Fluren hören“ müssten.

Wir sitzen hier gerade zu zehnt und fragen uns, von welchen Unis er redete – funktionierende Videopräsentationen wären doch mal was Tolles. Und überhaupt: Video-Leinwände. Das wäre doch perfekt für unsere Eliteuni. Also, wenn wir genügend Entschädigung durch Nachbarbauten herausschlagen können, installieren wir auch überall Videoleinwände. Dann können wir auch mit dem M.I.T. mithalten.

Vielleicht sollten die Professoren überdenken, dass kaum zu bewältigender Lehrstoff, nicht dass einzige Kriterium für eine Eliteuni im Zentrum der Hauptstadt ist.

Ein einziger Trost bleibt darin, dass wir uns was einbilden können, wenn wir die bis mindestens 2003 andauernden Bauarbeiten, die mangelnden Gelder und die stickigen, überfüllten Hörsäle unbeschadet überleben – also doch Elitestudenten …

uneRRing