Professorenportraits

An dieser Stelle führen wir endlich mal eine Rubrik ein: Das Professorenportrait. Damit ihr ein wenig mehr über die Leute wisst, bei denen ihr jahrein, jahraus in den Vorlesungen sitzt, stellen wir in jeder Ausgabe einen oder zwei Professoren unserer Wahl vor. Na ja, also zumindest tun wir das in dieser Ausgabe, für kommende Ausgaben will ich lieber mal nicht zu viel versprechen.

Prof. Dr. Schade

Seit dem Beginn des vergangenen Sommersemesters ist das Angebot für Studenten des Hauptstudiums um eine Veranstaltung reicher. Mit dem Institut für „Entrepreneurship/Innovationsmanagement“ zieht mit Herrn Prof. Dr. Christian Schade auch ein sehr enthusiastischer, offener und sympathischer neuer Professor in die ehrwürdigen Hallen der humboldtschen Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät ein. Zwei junge Reporter begaben sich auf dem „Tourist Trek“ (Prof. Schades Bezeichnung für den Weg entlang dem linken Spreeufer zu seinen Institutsräumen) zu einem Interview.

Professor Schade, seit nunmehr einem halben Jahr lehren Sie an unserer Fakultät. Was hat Sie bewogen, den Lehrstuhl für „Entrepreneurship/Innovationsmanagement“ an unserer Fakultät anzunehmen?

Das Ganze hat sich schon frühzeitig entwickelt, zu einem Zeitpunkt, als meine Habilitation noch in der Fertigstellung war. Und da dies eine ganz besonders gute Fakultät hier ist, bin ich davon ausgegangen, dass es ohnehin das Beste ist, was mir passieren kann. Hinzu kommt, dass es Berlin ist.

Welchen Ruf hat denn die Fakultät?

Die Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Humboldt-Universität ist in Deutschland insbesondere für ihre quantitative und theoretische Orientierung, für ihre empirisch „harte“ Forschung bekannt.

Das gilt für die Forschung. Aber welchen Einfluss hat das auf die Lehre bzw. auf die erfolgreichen Absolventen? Eilt denen der gute Ruf voraus?

Das ist sehr intransparent in Deutschland. Es gibt dazu keine verlässlichen Rankings, und die Kommunikation zwischen Forschern läuft meistens auf der Ebene der Forschung ab. Es ist recht schwer, die Lehre unterschiedlicher Fakultäten zu vergleichen.

Ihr Lehrstuhl wird ja von der SAP finanziert – fühlen Sie irgendwelche Interesseneinflüsse von SAP?

Der Lehrstuhl wird vom Land Berlin und der SAP getragen. Wobei letztere deutlich mehr zahlt als das Land. Aber Einflüsse spüre ich überhaupt nicht. Es ist vergleichbar mit den USA. Man vergibt Geld an eine Universität, die man für besonders geeignet hält, ein bestimmtes Fachgebiet mit den entsprechend kompetenten Leuten vertreten zu lassen, und hält sich dann raus: Freiheit von Lehre und Forschung! Das ist auch sehr wichtig, weil sich sonst die Universitäten einer zu großen Einflussnahme von aussen erwehren müssten. Denn die Freiheit von Lehre und Forschung ist ein hohes Gut.

Wie wird an den Universitäten in den USA an das Thema “Entrepreneurship” herangegangen?

In den USA entwickelt sich Entrepreneurship langsam zu einer „harten“ Wissenschaftsdisziplin. Die Amerikaner haben seit Ende der 60er Jahre dieses Fachgebiet. Man kann allerdings nicht sagen, dass sie dadurch automatisch einen Vorsprung in der Qualität der Forschung haben. Je nach Universität machen sie teilweise schon sehr gute Sachen, teilweise aber auch nicht.

Warum wurde das Thema für die Forschung in Deutschland erst so vergleichsweise spät entdeckt? War es bisher nicht wichtig genug?

Warum, weiß ich nicht. Aber es ist wirklich ein sehr wichtiges Thema – schon allein deshalb, weil darüber so wenig bekannt ist. Das gilt selbst nach vielen Jahren Forschung in Amerika.

Es gibt zahlreiche wirtschaftswissenschaftliche Disziplinen – wie sind Sie auf Entrepreneurship gestoßen?

Im Grunde genommen bin ich erst im Zuge der letzten Jahre auf Entrepreneurship aufmerksam geworden, weil ich mich sehr für Risikoverhalten von Menschen interessiere, also dafür, wer unter welchen Bedingungen Risiken übernimmt.

Warum wollen Sie es lehren?

Weil es ein wenig erforschtes, sehr interessantes und mit hoher Praxisrelevanz versehenes Gebiet ist. Auf dieses Fachgebiet trifft alles zu, was ein Thema für Lehre und Forschung interessant macht.

Sie lehren Unternehmertum – ist es somit auch erlernbar?

Ich glaube nicht, dass man Unternehmer produzieren kann. Man kann nur herausfinden, unter welchen Bedingungen welche Menschen wieviel Risiko auf sich nehmen und wie sie innovativ werden. Man kann aber den Studierenden natürlich theoretisches Handwerkszeug in die Hand geben und die Erfolgsfaktoren untersuchen. Aber man kann und sollte keinen ins Unternehmertum treiben. Das müssen die richtigen Leute von sich aus tun.

Haben Sie selbst schon einmal an die Gründung eines eigenen Unternehmens gedacht?

Das sind zwei völlig unterschiedliche Dinge – zum einen etwas zu erforschen und zu lehren und zum anderen dies selber zu machen. Es sind auch ganz unterschiedliche Menschen, die das eine oder das andere tun. Ich selbst interessiere mich sehr für Forschung und Lehre. Dazu kommt noch das Zeitproblem – heutzutage erfordert die Spezialisierung von Wissenschaftlern eine lange Zeit, die man mit Publikationen, im Ausland und in der internationalen Forschung verbringen muß. Somit ist es sehr, sehr schwer, sich eine substanzielle Zahl von Jahren in der Praxis zu verdingen.

Ihr Lehrstuhl fand in unserem Fakultätsgebäude aufgrund der baulichen Gegebenheiten keinen Platz mehr. Stört Sie dieser Umstand?

Also ich finde die Räume hier [in der Ziegelstraße, Anmerk. d. Red.] gut. Natürlich ist es auch schön, im Fakultätsgebäude Räume zu haben, aber die hier sind auch schön. Es ist ja auch nicht so weit, und somit finde ich das nicht so problematisch.

Welche Hobbys haben Sie, und haben Sie überhaupt Zeit, diese auszuüben?

(Lacht) Also die Frage nach der im Moment vorhandenen Zeit, sie auszuüben, ist sehr leicht zu beantworten. Die ist sehr gering bemessen. Aber eigentlich spiele ich Klavier und photographiere schwarzweiß. Außerdem fahre ich seit einiger Zeit recht gerne Motorrad.

Gesetzt den Fall, Sie hätten mehr Zeit, was würden Sie denn noch tun oder lernen bzw. ausprobieren?

Also zunächst würde ich mich schon gerne einfach diesen Hobbys widmen, weil es sehr schöne und zeitintensive Hobbys sind. Allgemein bin ich für alles offen, wenn mir mal wieder was Interessantes auffällt. Ich habe kein Problem mit Langeweile. Ich finde immer etwas, was mich interessiert.

Sie sagten, Sie schätzen Berlin. Was sind Ihre „favourite locations“ – Ihre Lieblingsplätze, wo Sie sagen, das ist es, was Berlin ausmacht, da bin ich gerne (...wo man Sie außerhalb der Sprechstunden erreichen kann!)
(Lacht) ...Also ich nenne jetzt mal keine Restaurants oder Kneipen, da kann man ja auch in einen Restaurantführer schauen, was da gut ist. Ich mag viele Stellen in Mitte sehr gerne, weil es hier noch soviel Altes gibt. Die Spree und das Spreeufer – auch die Museumsinsel – die Blicke die man dort so hat, mit den Schiffen und den Bäumen, das ist schon wunderschön hier. Ansonsten hat Berlin natürlich auch an weniger hübschen, aber doch interessanten Locations eine Menge zu bieten. Aber ich glaube, da kennen Sie sich auch recht gut aus. (Anm. der Red.: Wir??!)

Das, was Sie an Berlin schätzen, ist ja das eine, doch was gefällt Ihnen weniger? Was stört an dem „Moloch“ Berlin?

Sie werden gar nicht wirklich viel finden, was ich an Berlin nicht schätze! Es gibt bestimmte Aspekte, da könnte ich, wenn ich jetzt wollte, so ein paar Dinge konstruieren, aber die haben weniger mit der Stadt oder ihren Bewohnern selbst zu tun. Sie gefällt mir wirklich gut, diese Stadt – kann ich echt sagen! Eine große Stadt hat immer ein paar Nachteile gegenüber einer kleinen, aber auch eine Menge Vorteile. Ich bin auch eigentlich große Städte gewohnt. Ich komme ja ursprünglich aus Hamburg, habe dann jetzt auch in Frankfurt a.M. mehr oder weniger in der City gewohnt, und das ist ja auch nicht gerade eine Kleinstadt. Schon kleiner als Berlin, aber es ist auch dort schon ein recht städtisches Leben.

Jetzt kommen wir zu Ihnen ganz persönlich. Was halten sie für Ihren Hauptcharakterzug?

Offenheit! – Würde ich tatsächlich so sagen. (Sehr klar, wie aus der Pistole geschossen...)

Wenn Sie sich kritisieren sollten, was würden erwidern?

Tja, hmm, das fällt natürlich nicht so leicht. Natürlich hat man Fehler, aber ist das ist ziemlich schwierig. Ich bin ein bißchen unordentlich, das können Sie ruhig schreiben! ETWAS unordentlich können sie schreiben.

Welche Fehler würden Sie bei anderen am ehesten verzeihen können?

Ich halte mich im Allgemeinen doch für recht tolerant, und ich verzeihe eigentlich relativ viel an meinen Mitmenschen.

Was wäre denn unverzeihlich? Was gefällt Ihnen denn weniger?

Also, ich mag keine Intoleranz.

Wenn Sie noch einmal am Anfang Ihres Studiums stehen würden, was würden Sie anders machen?

Eigentlich nichts, weil sich im Nachhinein teilweise auch Dinge als richtig erwiesen haben, von denen man das damals noch gar nicht angenommen hatte. Also man hat eine Menge Dinge gemacht, die sich erst viele Jahre später als sinnvoll heraus gestellt haben. Gerade im Nachhinein würde ich besonders wenig ändern.

Was würden Sie konkret denjenigen raten, die jetzt mitten im Studium stecken?

...Nicht eindimensional zu lernen und zu denken. Sondern zu versuchen, sich die Zusammenhänge zwischen den Dingen, die man lernt und den Dingen der Praxis immer wieder klar zu machen. Sich nicht so eine reine Prüfungsorientierung anzugewöhnen, dass man sich immer nur fragt „Wie kommt man am leichtesten über die nächste Klippe.“ Das scheint mir hier unheimlich zentral zu sein. Ich bin teilweise einfach in Sachen reingegangen, die mich interessiert haben, die ich nicht einmal gebraucht habe für irgendeine Prüfung. Aber nicht, weil ich ein Workaholic war, sondern wirklich einfach aus Interesse.

Waren oder sind Sie ein Workaholic?

Ich bin keiner. Ich arbeite eine Menge, aber eher aus Interesse, aus Motivation.

Wir haben noch herausgefunden, dass Sie damals auch noch Psychologie studierten. Das ist ja bezüglich des Risikoverhaltens recht spannend. Hatten Sie dies von vornherein vor?

Im Nachhinein sind Studieninhalte viel besser zu verwerten und zu kombinieren, als man es von vornherein glaubt. Ich hatte mich entschieden, mich voll auf Wirtschaftswissenschaften zu konzentrieren. Später habe ich festgestellt, dass man von der Psychologie doch eine ganze Menge lernen kann. Die Methodik beispielsweise ist sehr gut bei den Psychologen, und auch einige Modelle sind hervorragend.

Womit würden Sie einen Studenten am ehesten motivieren, wenn er mitten im BWL-Studium steckt und plötzlich daran zweifelt, dass es das Richtige für ihn ist?

Drei gute Argumente, dieses Studium zu Ende zu bringen? Erstens ganz pragmatisch: Exzellente Arbeitsmarktchancen. Zweitens: Die Diplomarbeit ist sicherlich die spannendste Phase des ganzen Studiums, die sollte man sich nicht entgehen lassen, weil man da mal die Gelegenheit hat, an einer größeren Frage mehr oder weniger eigenständig zu arbeiten. Drittes Argument: Es bleibt ja dann gar nicht mehr soviel Zeit, die man noch schaffen muß. Doch wenn es einem sehr früh auffällt, dass es nicht das Richtige ist, dann sollte man sich vielleicht nicht zwingen, es weiter zu machen.

Zwei Argumente dafür, es unbedingt an unserer Fakultät zu beenden. Wir haben ja bereits festgestellt, dass Sie von der Forschung her einen sehr guten Ruf besitzt.

Sie bekommen natürlich von der Forschungsqualität auch in der Lehre etwas mit. Nämlich dadurch, dass sehr qualifizierte Leute hier unterrichten und Sie zumindest tendenziell mit einem moderneren Stand des Wissens konfrontiert werden als vielleicht an anderen Universitäten. Sie bekommen vielleicht mehr Aktuelles, zugegebener Maßen wissenschaftlicheres Know-how.

(Wenn man eine Prognose für die zukünftige Beliebtheit der Veranstaltung anhand der p.p.l.-Entwicklung (people per lesson) der letzten zwei Semester machen möchte, wonach eine Steigerung um ca. 150% empirisch nachweisbar war, werden bei anhaltender Kontinuität dieser Zuwachsraten in spätestens 4 Semestern rund tausend Studenten diese Veranstaltung jede Woche besuchen. Bleibt nur der Erwartungshorizont in den Klausuren abzuwarten. Wir wünschen weiterhin viel Erfolg und Spaß mit uns Studenten. Vive l´ innovation!)

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