Wiwi - wohin? – Ein Diskussionsbeitrag

Im letzten Hermes wurde unter dem Titel „Zerfall“ von den Problemen an unserer Fakultät berichtet. Nach einer Umfrage unter den Professoren ist nun in diesem Semester eine Arbeitsgruppe zur Weiterentwicklung unserer Fakultät dabei, sich grundsätzlich mit diesen Problemen auseinander zu setzen.

Die Ausgangslage

Anfang der 90er Jahre wurde unsere Fakultät mit hohem Einsatz und großen Hoffnungen neu aufgebaut. Es wurden viele hochkarätige Professoren gewonnen, und in den letzten Jahren ist es sogar gelungen, durch Einwerbung von Stiftungsprofessuren und durch die Besetzung einiger Lehrstühle mit jüngeren, hoffungsvollen Professoren das Lehrangebot weiter auszubauen - der allgemeinen Schrumpfung aufgrund der Sparzwänge zum Trotz. In der internationalen Forschungslandschaft steht unsere Fakultät auch sehr gut da, die neuen Prüfungsordnungen funktionieren jetzt. Man könnte also den Eindruck bekommen, alles sei in Ordnung. Und doch ist unsere Fakultät vom „Zerfall“ bedroht, wie im letzten Hermes ausführlich beschrieben.

Doch was ist der Grund dafür? Warum verlassen im Augenblick Professoren reihenweise unsere Fakultät? Eine Umfrage, die im Sommersemester von Seiten der studentischen Vertreter im Fakultätsrat durchgeführt wurde, und an der knapp die Hälfte unserer Professoren teilnahmen, sollte hier Genaueres ermitteln helfen und die Aufmerksamkeit auf die Probleme in unserer Fakultät richten.

Dabei kam heraus, dass die Hälfte der Antwortenden mit dem Gedanken spielt, die Fakultät zu verlassen. Woher kommt es, dass es plötzlich so viele in die Ferne treibt? Ein weiterer Blick auf die Umfrageergebnisse gibt einige Anhaltspunkte. So wird die Zusammenarbeit innerhalb der Fakultät nur von fünf Teilnehmern als eher positiv bewertet (Schulnoten 1 – 3), von neun aber eher negativ (Schulnoten 4 – 6). Ähnlich verhält es sich mit der Einschätzung der Solidarität innerhalb der Fakultät (6 eher positiv, 8 eher negativ). Die Verbalkommentare geben weitere Hinweise: Der Bauzustand unserer Fakultät wird bemängelt, die Verwaltungsstrukturen finden Kritik, und insgesamt wird eine gewisse Konzeptlosigkeit festgestellt. Kurz gesagt, um das Arbeitsklima und die Arbeitsbedingungen scheint es nicht zum besten zu stehen. Vielleicht sind die Ergebnisse der Umfrage nicht repräsentativ, sie können einem aber schon zu denken geben.

Wie sieht es nun auf Seiten des Studiums aus? Hier sind zwar mit den neuen Prüfungsordnungen einige wesentliche Verbesserungen gekommen (zum Beispiel das Credit Point-System), an den Studienabschlüssen und den Studieninhalten, sowie dem Service für die Studierenden hat sich nichts grundlegend verändert. Nur mit der Einführung des Masters Programmes (MEMS) ist die Fakultät vor drei Jahren innovative Wege gegangen. Im Augenblick ist sie aber dabei, genau diesem immer wieder gern als Aushängeschild dienenden Kind die Unterstützung zu verweigern, anstatt es auszubauen und für seine Weiterentwicklung zu sorgen. Die Möglichkeiten, die im MEMS-Programm erreichten Pfunde als Impulsgeber für die Gesamtfakultät zu nutzen, sind bisher auch nicht genutzt worden.

Was fehlt unserer Fakultät

Wer die aktuellen Diskussionen in der Presse verfolgt wird feststellen, dass Vieles in der deutschen Hochschullandschaft im Umbruch ist, von Verwaltungsstrukturen über die Dienstrechtsreform bis in die Lehrangebote und Studienabschlüsse hinein. Für die Humboldt-Universität insgesamt und für die wirtschaftswissenschaftliche Fakultät im Besonderen gilt, dass sie sich zunehmend dem nationalen und auch dem internationalen Wettbewerb wird stellen müssen.

Um auch in Zukunft wettbewerbsfähig bleiben zu können, sind erhebliche Veränderungen in unserer Fakultät nötig. Die Rahmenbedingungen seitens der Politik und der Universitätsleitung sind günstig, und wenn die Chance jetzt nicht genutzt wird, wird man in ein paar Jahren nur noch auf einen schon abgefahrenen Zug aufspringen können.

Insbesondere braucht unsere Fakultät:

- differenzierte Ausbildungsmöglichkeiten, die allgemeinbildende, praxisorientierte und wissenschaftsorientierte Anforderungen erfüllen. Hier ist die Einführung von gestuften Studiengängen in Form von Bachelor und anschließenden Masters-Programmen notwendig. Die Bachelor-Studiengänge müssen praxisnah ausgerichtet sein, beim Master muss es eine Differenzierung in praxisnahe und wissenschaftsnahe Programme geben. Dabei ist an die Vorleistungen des MEMS in Bezug auf Auswahl und auch auf Betreuung der Studierenden, sowie in Bezug auf Internationalität anzuknüpfen.

- eine verbesserte wissenschaftliche Ausbildung in Form eines Doktorandenstudiums nach dem amerikanischen PhD-Prinzip

- eine zentrale Servicestelle für die Studentenbetreuung und die Beratung und Begleitung von Austauschprogrammen

- ein zentrales Absolventenmanagement, verbunden mit einer Alumni-Betreuung

- eine professionelle Außenvertretung der Fakultät und die Schaffung einer Corporate Identity

- koordinierte und konzertierte Fundraising-Aktivitäten

- leistungsfähige Verwaltungsstrukturen, die eine effektive und effiziente Nutzung der Verwaltungsressourcen an der Fakultät ermöglichen professionelle Rahmenbedingungen was Raumangebot und Ausstattung betrifft

Viele dieser Punkte sind kontrovers, und es wird nicht einfach sein, alle Beteiligten von ihrer Notwendigkeit zu überzeugen. Wer aber ein offenes Ohr für die deutsche Universitätslandschaft hat, wird feststellen, dass sich dort einiges bewegt, und wer jetzt nicht damit anfängt, selbst aktiv zu werden, wird allen weiteren Entwicklungen nur folgen können.

Die leidige Ressourcenfrage

Das Gegenargument, das man immer zu hören bekommt, wenn man Veränderungen oder Verbesserungen der Leistungsfähigkeit fordert, ist, dass man solche Projekte in Zeiten schrumpfender Mittel nicht finanzieren könne. In dieser Frage zeigt sich die grundsätzlich nur reaktive und fatalistische Haltung vieler an unserer Fakultät. Man kann darauf eigentlich nur mit dem Hinweis antworten, dass man natürlich nur dann Unterstützung bekommt, wenn man ein klares und zukunftsfähiges Konzept vorlegt.

Außerdem kann man sich durchaus die Frage stellen, ob das Potenzial von Kontakten in die Wirtschaft - zum Beispiel über die wirtschaftswissenschaftliche Gesellschaft - tatsächlich genutzt wird, um zusätzliche Gelder einzuwerben. Ein wesentlicher Teil der Umgestaltung muss daher auch darin bestehen, neue Finanzierungsquellen zu erschließen. Nicht zuletzt muss man sich fragen, ob einige Abläufe innerhalb der Fakultät nicht vereinfacht werden können, so dass prinzipiell auch Ressourcen freigesetzt werden.

Wenn gemeinsam angepackt, das Innovationspotential gebündelt und eine klare, konzeptionelle Linie entwickelt wird, wird es möglich sein, unsere Fakultät zu einem Vorzeigemodell zu machen, dem eine entsprechende Anerkennung seitens der Öffentlichkeit und seitens derer, die über Mittelvergabe entscheiden, nicht verwehrt werden kann.

Positive Entwicklungen

Es ist daher sehr zu begrüßen, dass sich in diesem Semester in der Fakultät eine Gruppe Interessierter (Professoren, Assistenten, Studenten und Verwaltung) mit der Frage auseinandersetzt, wie man bei den angesprochenen Punkten weiter kommen kann. Die Diskussionen laufen zur Zeit in drei verschiedenen Arbeitsgruppen zu den Themen Lehre und Studium, Außendarstellung und Fundraising, sowie Service und Verwaltung. Bis zum Ende des Semesters sollen die Ergebnisse in Form von Arbeitspapieren im Fakultätsrat zur Diskussion stehen, um über weitere Maßnahmen zu entscheiden.

Nach augenblicklichem Stand sieht es so aus, als ob die Gruppen tatsächlich erhebliche Veränderungen in unseren heiligen Hallen vorschlagen werden. Dies reicht von der Einführung von Bachelor- und Master-Studiengängen über eine Verwaltungsreform bis zur Professionalisierung des Fundraisings und der Außendarstellung.

Wer an den Sitzungen teilnimmt, kann auch feststellen, dass dort plötzlich ein ganz anderer Wind weht, als man es aus Universitätsgremien üblicherweise kennt. Es wird engagiert und leidenschaftlich diskutiert, und es ist kein Tabu, auch über radikale Veränderungen nachzudenken.

Getragen wird diese Bewegung vor allem von der mittlerweile zahlreicher gewordenen Gruppe von jüngeren Professoren, mit tatkräftiger Unterstützung der Verwaltungsleistung einiger Assistenten und Studenten. Man kann nur hoffen, dass diese Dynamik bis in die Umsetzung der entworfenen Konzepte hinein trägt, auf dass unsere ehrwürdigen grauen Gemäuer wieder zu blühen beginnen.

Interessenten können sich immer noch an der Arbeit beteiligen. Wer will kann sich unter thilo@studentenrat.de informieren.
Ein wichtiger konkreter Vorschlag ist aus den geheimen Beratungen übrigens schon nach außen gedrungen: die Gründung des „Berlin Institute of Economic Research“ – kurz BIER:)

Thilo Zelt