An der Humboldt ticken die Uhren einfach anders...

...und zwar allesamt. Obwohl die "Echten" alle von der "Mutteruhr" gesteuert werden sollten, was sie auch werden, schien sich das in der Vergangenheit nur auf die Geschwindigkeit nicht auf die Urzeit auszuwirken.

Das ist nichts für in Eile den Vorlesungen entgegen strebende Studenten, denn keine der Uhren im Gebäude hat Aussagekraft ohne die Nebenbedingung der Minuten die sie vor- oder nachgeht. Der Wiwi-Studi an sich hat sicher von der ersten Minute an keine Ruhe vor Maximierungsproblemen unter Nebenbedingungen, aber muß es denn soweit gehen, dass dem Blick auf die Uhr an der Wand noch Rechenaufwand folgt?

Und nicht nur das. Auch das Design der nicht mehr ganz zeitgemäßen Stundenzähler läßt zu wünschen übrig. Neulich warf ich im Vorbeieilen einen Blick auf selbigen vor dem 201 und erhielt einen modemäßigen Morgenschock. Eine Uhr in schlimmerem Gewand als die alten Plastikscheiben, die sonst überall im Haus verteilt sind, lachte mir zeitmäßig in jedem Sinne aus dem Rahmen fallend entgegen.

Ist es Analogie oder Anachronismus, wenn ich an dieser Stelle spontan auch einen Teil der Lehrbeauftragten vor Augen habe, die sich ebenso hervorragend mit dem Bild der alten Uhren beschreiben ließen. Der Zeit hinterher - oder gar voraus? - im Gewand der Vorperioden und einer nicht mehr identifizierbaren Ausgangsmotivation.

Der Zeit voraus, das wäre etwas sehr Wünschenswertes an dieser Fakultät, die den ersten Eindruck des völlig überholt seins der Evaluation zum Trotz nicht verhindern kann. Aber wer soll das bezahlen? Die Stadt? Das Land? Ein Sponsor müßte her, da war doch noch was mit Werbung an "das Stadtbild prägenden Gebäuden in Mitte"... Also kein Mannesmann Plakat auf dem Kapellendach. Dafür Harry Potter am Forum Hotel, aber das ist nun wirklich eine andere Geschichte. Was habe wir über Marketing gelernt?

Zurück zu dem, was es nicht gibt: Die technische Ausrüstung, die Studenten ermöglichen würde, sich auf spätere Präsentationen vorzubereiten zum Beispiel. Eine Bekannte - auch BWLerin - sprach mich an, in welchem Rahmen wir denn mit größeren Power-Point-Präsentationen zu tun hätte, denn schließlich sei das ein "must" wohin immer man sich nach der Ausbildung wenden würde. Meinen verständnislosen Blick werden sich all diejenigen vorstellen können, die unser unausgesprochenes Credo bereits erfahren haben: an der Uni lernt man nichts für den Beruf, man lernt durchzuhalten. Man lernt, sich erst das Gehirn absprechen zu lassen, um es dann im besten Fall ohne Aufforderung gegen Ende zu reaktivieren. Das wird belohnt und nennt sich Diplom. Vorher eine Bibliothek zu besuchen wird offensichtlich von einigen Professoren schlichtweg als Zumutung für die Studenten betrachtet.

Dabei ist die Zumutung eine ganz andere: sie besteht in Tischen, die sich nicht feststellen lassen, Lampen, die noch aus dem Mittelalter zu sein scheinen und rein gar nichts mit lernunterstützender Beleuchtung zu tun haben, Sesseln, in denen man mit dem Kinn auf der Tischkante (soweit es sie gibt, s.o.) aufliegt und Overheadprojektoren, bei denen auch die Ersatzlampe seit Wochen nicht funktioniert. An dieser Stelle noch auf das Lautsprechensystem von 202 einzugehen, würde das technische Armutszeugnis unserer "Elite"-Uni perfekt machen.

Die schlimmste Zumutung ist allerdings, dass das Denken an sich nicht mehr im Mittelpunkt steht, sondern das (auswendig) lernen. Eine "Elite" läßt sich unter fast allen Bedingungen heranziehen, nur dann nicht, wenn man die dafür grundlegenden Elemente unterdrückt. Darwin mit Maulkorb für die junge Generation kann nicht funktionieren.

Assistenten und Professoren, die nie zu lehren gelernt haben, richten Massen von Studenten ab, ihrem persönlichen Takt zu folgen; richtig ist was der Prof für richtig hält. Kritik ist bis zu dem Moment erwünscht, an dem sie kommt, dann wird alles platterklärt Und wer alles brav so macht wie Onkel Assi sagt, kriegt die eins, stumpf aus dem Skript, wenn's sein muß, Hauptsache gut zu korrigieren.

Und selbstverständlich ticken auch alle Professoren - wie die Uhren auch - unterschiedlich, ein Richtig kann es in diesem Zusammenhang nicht geben, genauso wenig wie Allgemeingültigkeit. Wer mag die Mutteruhr der Lehrbeauftragten sein. Oder frei nach Uhlig "Wer kontrolliert eigentlich die Kontrolleure?".

Daß ich hier nicht von den seltenen Ausnahmen an unserer Fakultät spreche, die es gibt und die die Regel bestätigen, sei bei einer Glosse vorausgesetzt, sonst gäbe es ja nichts zu bemängeln.

Mehr der Ausnahmen wäre schön. Und mehr Geld und weniger Studenten und größere Räume und leisere Bauarbeiten. Und Professoren, für die C4 nicht nur einen abgesicherten Lebensabend sondern auch den LEHR-Auftrag bedeutet.

Das alles ist bekanntermassen eine schöne Illusion, aber könnte man nicht wenigstens die Uhren einmal stellen?

dw