Kommentar eines Politikverdrossenen

Der 16.11.2001 war ein denkwürdiger Tag. Zum dritten Mal in der Geschichte dieser Republik hat ein Bundeskanzler die Vertrauensfrage gestellt, erst Brandt, dann Schmidt, jetzt Schröder. Es war jedoch das erste Mal, dass die Vertrauensfrage mit einer Sachfrage verbunden war.

Ein erstklassiges Schurkenstück, dass sich unser schön gefärbter „Basta“-Kanzler, Haupthaar und Augenbrauen waren in natura dereinst heller, da geleistet hat. Sowohl „betriebswirtschaftlich“ als auch verfassungsrechtlich war das Procedere allerdings einwandfrei. Betriebswirtschaftlich deshalb, weil Schröder aus der vielzitierten Win-Win-Situation heraus handelte, ein klassisches Hold-Up-Problem eben. Wie auch immer, entweder die Grünen spuren oder die sich stets an die mehrheitsfähige Volkspartei heranparasitierende FDP unter dem Kommando des fistelstimmigen Oberprimaners Westerwelle hätte die vakante Dienstwagenofferte dankbar angenommen und mit den fälligen Diäten noch ein paar notleidende Parteifunktionäre über den nächsten Winter gebracht.

Verfassungsrechtlich sichert Artikel 68 die Vertrauensfrage. Mit keinem Wort beschreibt der Artikel die Möglichkeit der Verknüpfung mit einer Sachfrage. Diese Verknüpfung war also eine von Schröder gewollte. Das alles wäre auch nicht so schlimm gewesen, hätte es sich nicht um eine Sachfrage gehandelt, die gleichzeitig DIE Gewissensfrage für jeden deutschen Politiker ist oder wenigstens sein sollte. Nichts hätte Schröder daran gehindert, die Militäreinsatzfrage abstimmen zu lassen, wobei ihm mit den Stimmen der blassblütigen, zerstrittenen Opposition die Mehrheit sicher gewesen wäre, um danach trotzdem die Vertrauensfrage zu stellen, die er mit den Stimmen der Koalition gewonnen hätte. Die Grünen hätten bei einem heißen Matetee weiter ihre Friedenselegien singen und danach trotzdem den Kanzler bestätigen können. Jeder hätte sein Gesicht gewahrt. Bei der derzeitigen Situation der Union hätte das dann folgende Geschrei des christdemokratischen circus germanus über die Handlungsunfähigkeit der Regierung wohl kaum einen Stimmungsumschwung in der Bevölkerung auslösen können.

Schröder wollte aber eine Machtdemonstration. Mit einem Präzisionsschnitt hat er unserer rückgratlosen Politiken en passant einen weiteren Wirbel herausseziert und das orientierungslose grüne Schweinchen auf die Schlachtbank geführt. Wie nicht anders zu erwarten und zu befürchten, hat sich die Grüne Partei letztendlich wie eine Straßendirne an die Brust des einzig verbliebenen Freiers geworfen. Das Gewissen der Grünen, die immer noch pathetisch den Kelch der Friedenspartei vor sich her zu tragen suchen, hat sich wieder einmal als bis zur Labilität flexibel erwiesen. Letztendlich ist das Gewissen der Preis der Macht. Die Frage zwischen Macht und Gewissen ist damit auch bei den Grünen ein für allemal entschieden. Die anderen drei regierungsfähigen Parteien hatten damit sowieso schon immer weniger Probleme als die grüblerischen Häkelfreunde.

Dazu macht unser im Volke heiß geliebter Außenminister mit noch grünem Parteibuch in jedem Interview das möglichst dramatische Gesicht eines Stofftierhabichts und erklärt den interessierten arabischen Erbkönigen oder Militärjunten gerne noch einmal, wie das so funktioniert mit der Demokratie. Zur Erinnerung, in den Siebzigern hatte der alternative Taxifahrer selbst ganz gerne die landeseigenen Ordnungskräfte wahlweise vertrimmt oder mit Flaschen beworfen.

Deren heutiger Dienstherr ist sein ehemaliger Parteifreund Schily. Der Jurist und ehemalige Terroristenanwalt legt heute Programme zur inneren Sicherheit auf, die von Paranoia zeugen und Zweifel daran aufkommen lassen, ob er tatsächlich Mitglied der SPD ist. Denn mit der Taktik des Linksblinkens und Rechtsüberholens lässt Schily selbst CDU und CSU vor Neid erblassen. George Orwell lässt grüßen. Und so befürchtet selbst Tante Irmchen aus Kleinsiehstenich hinter jedem Brief einen Anthrax-Anschlag, wodurch sich bei der Bevölkerung fast jede Sicherheitsmaßnahme zu Lasten der individuellen Freiheitsrechte rechtfertigen lässt.

Nachdem Kohl, Kanter & Co.fferträger mit einer billigen Entschuldigung und viel Dreistigkeit davonkamen, nachdem man Schäuble in der Parteispendenaffäre um die 100.000 DM-Spende des Waffenhändlers Schreiber nichts nachweisen konnte, nachdem Schröder die Bundesratsmehrheit zur Steuerreform von Pleitier Diepgen „kaufte“, nachdem unser Verteidigungsminister „Bin Baden“ mit seiner flachadligen Poolnixe Steuergelder verprasste, aber keinen Fehler bei sich erkennen kann, haben wir, das einfache Volk von der Straße, am 16.11. eine weitere Lehrstunde in moderner Demokratie erhalten.

Danke Gerhard!

dm