Sind BWL-Studenten blöd?

Was alle VWL-Studenten schon immer zu ahnen glaubten, scheint sich nun zu bestätigen: BWL-Studenten sind blöd! Jedenfalls scheiterte ein Großteil der BWL-Studenten der Uni-Leipzig in einer Marketing-Klausur an den Mathe-Aufgaben. Das kommt vor, mag man denken... nur waren die Aufgaben der PISA-Studie entnommen und entsprachen den Anforderungen der 9. Klasse.

Der internationale Schulleistungstest PISA hat Deutschland ein miserables Zeugnis ausgestellt und dafür gesorgt, dass die Debatten über eine Reform des Schulsystems mal wieder hohe Wellen schlugen. Als Student kann man da nur froh sein, sein Abitur in der Tasche zu haben... und zwar ein Prä-PISA-Abi.

Das zumindest dachten wir Studenten. Professor Dr. Helge Löbler von der Uni-Leipzig bereitete diesem Irrglauben ein Ende. Im Rahmen der Vordiplomprüfungen des letzten Wintersemesters versteckte er in seiner Marketing-Klausur neben drei Marketing-Aufgaben zwei Aufgaben der PISA-Studie. Die erste PISA-Mathe-Aufgabe entsprach zu 100% einer PISA-Aufgabe für die 9. Klasse. Das Erschreckende daran: 43% der 447 Vordiplomanden scheiterten an ihr! Die zweite Aufgabe hatte Löbler marketing-bezogen umformuliert. Sie war für 34% seiner Prüflinge unlösbar. Prozentrechnung und das Lösen von Wurzel- und quadratischen Gleichungen machte den Studenten enorme Schwierigkeiten. Kein Wunder, dass Prof. Dr. Löbler da nicht mehr viel zu sagen hat: „Die Ergebnisse der Prüfung sind eine Katastrophe.“

Wer jetzt lacht und meint, dass kann uns aber nicht passieren, sollte aufpassen... wir nahmen die zweite Marketing-Aufgabe in unseren Hermes-Fragebogen auf und waren durch das Ergebnis überrascht. Obwohl vermutlich nur wenige Studenten den Fragebogen abgaben, wenn sie die Aufgabe nicht lösen konnten, gab es 23,4% die die Aufgabe nicht richtig lösten. Zu ihren Fehlern erfahrt ihr mehr am Ende.

Löbler sucht die Ursache für diesen Missstand im deutschen Bildungssystem: „Fachübergreifendes komplexes Denken und damit auch die Übertragung mathematischer Probleme auf andere Fächer wird an deutschen Schulen zu wenig gefördert.“ Erste, wichtige Schritte wären für Löbler die Abschaffung der ZVS und die Einführung von Eingangsprüfungen an allen Universitäten.

Mit seiner kritischen Sicht steht Löbler nicht allein. Laut einer Spiegel-Umfrage sieht nur jeder zehnte deutsche Professor im Abitur einen sicheren Nachweis für die Studierfähigkeit. 14% sagen gar das Gegenteil, also: „Das Abi macht nicht fit für die Uni!“. Einig sind sich die Professoren darin, dass man die Wahlmöglichkeiten der Schüler einschränken und z.B. 5 Abi-Pflichtfächer einführen sollte. Wenn es aber um die Frage geht, welche Fächer das sein müssten, dann scheiden sich die Geister auch schon wieder. Die Wirtschaftswissenschaftler wollen Wirtschaftslehre geadelt sehen, Naturwissenschaftler hingegen Physik und Chemie. Wen wundert‘s...

Etwas Überraschendes haben die Profs aber doch zu bieten: Die Mehrheit hält nichts von einer frühen Spezialisierung der Schüler auf bestimmte Fachgebiete oder von einem fachgebundenen Abitur. Stattdessen favorisieren sie eine engere Zusammenarbeit zwischen Schulen und Universitäten: Schüler sollten nach Meinung der Professoren früher darüber informiert werden, was sie in ihren Studienfächern erwartet und welche Grundkenntnisse dafür notwendig sind.

Wer nun selbst wissen möchte wie es um seine mathematischen Grundkenntnisse steht, der kann es ausprobieren. Hier sind die zwei Aufgaben aus der Marketing-Klausur des Prof. Dr. Löbler. Die Aufgabe die auch im Hermes-Fragebogen enthalten ist samt Lösung und Infos zu euren Fehlern.

Aufgabe 1:

Diese Frage entspricht ganz der PISA-Frage:

Sie werden beauftragt, einen neuen Satz Münzen zu entwerfen. Alle Münzen sollen rund und silberfarben sein, aber verschiedene Durchmesser haben. Forscher haben herausgefunden, dass ein idealer Satz von Münzen folgende Anforderungen erfüllt:

- Der Durchmesser sollte nicht kleiner als 15 und nicht größer als 45mm sein.

- Ausgehend von einer Münze muss der Durchmesser der nächsten Münze mindestens 30 % größer sein.

- Die Prägemaschine kann nur Münzen herstellen, deren Durchmesser in Millimeter ganzzahlig ist.

Entwerfen Sie einen Satz von Münzen, der die o. g. Anforderungen erfüllt. Beginnen Sie mit einer 15-Millimeter-Münze. Der Satz sollte so viele Münzen wie möglich enthalten.

Aufgabe 2:

Diese Frage wurde leicht umformuliert, entspricht aber im Rechenweg zu 100 Prozent der Aufgabe aus der Studie:

Ein Marktforschungsinstitut hat festgestellt, dass der Bekanntheitsgrad eines Produkts (Personen, die das betreffende Produkt kennen) von den Werbeaufwendungen abhängt, wenn diese größer als 50.000 Euro sind. Der Zusammenhang zwischen dem Bekanntheitsgrad und den Werbeaufwendungen kann mit folgender Formel annähernd bestimmt werden:

N = 10 000 mal Wurzel aus (W-50 000)

wobei N die Zahl derjenigen Personen angibt, die das Produkt kennen, und W die Werbeaufwendungen in Euro.

a) Berechnen Sie den Bekanntheitsgrad bei einem Werbeaufwand von 300.000 Euro!

b) Man hat einen Bekanntheitsgrad von 6 Mio. festgestellt. Wie hoch ist der dazugehörige Werbeaufwand?

Die Lösung zur 2. Aufgabe

Für die Teilaufgabe a) muss nur eingesetzt werden. Der Bekanntheitsgrad liegt bei 5 Mio bei einem Werbeaufwand von 300 000 Euro. Bei b) muss man immerhin umformen und quadrieren.

Für einen Bekanntheitsgrad von 6 Mio müssen 410 000 Euro an Werbeaufwand bereitgestellt werden.

Und das war für 23,4% der Studenten, die sich an unserem Hermes-Fragebogen beteiligten zu schwer. Was aber machten sie falsch - hatten sie in der 9. Klasse den falschen Mathe-Lehrer oder war damals die Brünette aus der Vorreihe schuld? Interessante Lösungen wie 300 Milliarden Euro waren von uns nicht nachzuvollziehen. Doch es gab auch „logischere“ Fehler - so machte ein Großteil den Fehler, dass (N2/10k2) - 50k nicht = (N2-50k)/10k2 ist!

nh