Die netten Elitemanager von nebenan!

Wenn ihr mal wieder zum Hauptgebäude lauft und euren Blick gen Süden richtet, und am „Palast der Republik“ vorbeischaut, dann seht ihr das Staatsratsgebäude. Dort soll ab September die deutsche Wirtschaftselite einer Privatuniversität ausgebildet werden.

Was hat es damit auf sich, wer darf dort studieren, wer leitet es und was hat das für Konsequenzen für unsere Fakultät?

Überblick

Seit Monaten kann man in der Lokal- und Wirtschaftspresse über das Vorhaben einer deutschen Eliteuniversität für zukünftige Spitzenmanager lesen. Dieses Projekt wurde unter dem Namen „European School for Management and Technology“ (ESMT) von den Vorstandsvorsitzenden der Konzerne Allianz, Daimler-Chrysler, Eon, und Thyssen-Krupp ins Leben gerufen. Inzwischen hat eine Vielzahl großer deutscher Konzerne seine Unterstützung für dieses Vorhaben signalisiert. Diese Unterstützer sollen dann auch das Stiftungskapital von ca. 130 Millionen Euro aufbringen, um dieses Projekt auch finanziell zu ermöglichen. Aus den Zinsen dieses Stiftungskapitals, sowie aus den zu erhebenden Studiengebühren, soll der laufende Lehrbetrieb finanziert werden. Vorbild für die ESMT sind weltbekannte Wirtschaftshochschulen, wie die Harvard Business School oder das Insead-Institut bei Paris. Wer jetzt mit dem Gedanken spielt, einfach an die „Nachbarschule“ zu wechseln, den muß ich leider enttäuschen, denn an die Studenten der ESMT werden auch elitäre Anforderungen gestellt. Jeder Student sollte folgende Vorraussetzungen mitbringen: einen sehr guten Hochschulabschluss in Jura, Medizin, Wirtschaft oder Ingenieurswissenschaften, einige Jahre Berufserfahrung, einen erfolgreichen Aufnahmetest, ein Alter unter 30 Jahren und 30 000 Euro Studiengebühr pro Jahr. Dann kann man nach einem einjährigen Vollzeitstudium seinen Master of Business Administration erhalten. Zudem strebt die Hochschule das Promotionsrecht an, um auch Ph.D-Programme anbieten zu können, zusätzlich sollen Managementseminare abgehalten werden. Die ersten Lehrveranstaltungen sollen im Oktober diesen Jahres beginnen. Nach ca. 6 bis 8 Jahren sollen die Lehrkräfte mit 60 Voll- und 20 Gastprofessoren aus aller Welt, ihre Endstärke erreicht haben. Zum Vergleich, unsere Fakultät bietet derzeit ca. 30 Professuren.

Hintergrund

Ph. D

Das ist der amerikanische Doktor. Dieser wird allerdings nicht wie bei uns mit einer Dissertation erworben, sondern über Klausuren und mehrere Veröffentlichungen.

Stichwort MBA

Die Idee des MBA kommt aus den USA, es ist im Grunde ein einjähriges Studium der BWL-Grundlagen

Die Zielgruppe sind Personen, die schon eine andere Ausbildung abgeschlossen haben und nun die praxisrelevanten Grundlagen der BWL lernen wollen. Der Lernstoff wird dabei mittels Teamwork in Form von Fallstudien vermittelt. Insofern ist ein MBA für jemanden der 8 Semester BWL studiert hat nicht sonderlich sinnvoll. Doch da dieser im Ausland sehr viel zählt, machen auch Diplom-Kaufmänner/-frauen gelegentlich einen MBA.

Den Klagen der Wirtschaft zufolge, bilden die deutschen Universitäten in der Masse ausreichend gut aus, versäumen aber die gezielte Elitenförderung. Bislang ziehen zwei Drittel aller deutschen MBA-Studenten ein Studium im Ausland vor, viele von ihnen bleiben dort. Diese Zielgruppe möchte die ESMT im Land halten, ob dies gelingt, ist insofern fraglich, da von Managern meist Auslandserfahrung erwartet wird.

Doch auch ausländische Studenten könnten durch eine renommierte deutsche Business-School nach Deutschland geholt werden. Bislang war das Vorhaben Jemandem im Ausland mit einem Studium bspw. an der Universität Bochum oder Konstanz zu beeindrucken, nicht sonderlich erfolgversprechend. Entsprechend dünn war die Nachfrage bei den vielumworbenen ausländischen „High-Potentials“.

Zudem kommt keine der deutschen Hochschulen, die MBA-Programme anbieten, in weltweiten MBA-Rankings unter die top 100. Dies soll sich nun ändern, denn innerhalb von zehn Jahren wolle man zu den bedeutendsten Lehr- und Forschungseinrichtungen auf dem Kontinent gehören, meint Dr. Cromme der Koordinator der Gründungsinitiative. Dies ist durch ein rein betriebswirtschaftliches Studium sicherlich schwer zu bewerkstelligen. Deswegen wird es einen Technologischen Schwerpunkt geben, und auch die künftigen Mitarbeiter von Internationalen Organisationen oder Ministerien, sollen durch einen „Master of Public Administration“ für ein Studium an der ESMT gewonnen werden.

Zudem wird eine Zusammenarbeit mit dem College of Liberal Arts in Buch angestrebt, um auch eine geisteswissenschaftliche Komponente zu integrieren, für die sich besonders Bertelsmann stark machte.

Die Standortfrage

Bald nach Bekanntgabe des Vorhabens sickerte durch, dass sich das Projekt im Berliner Staatsratsgebäude, am Schlossplatz niederlassen wollte. Doch dies kollidierte mit den Nutzungsvisionen der Expertenkommission „Historische Mitte“, die zwar lange tagte, doch für deren Vorschläge sich so recht niemand interessiert, geschweige denn hält, erinnert sei hier an die Stadtschlossdebatte. So empfahl die Kommission, das Staatsratsgebäude als „Medien- und Kommunikationszentrum der Bundeszentrale für politische Bildung“ zu nutzen. Entsprechend schnell entzündete sich Wiederstand, gegen die Vergabe des Staatsratsgebäudes an die ESMT.

Dieser Streit machte auch vor dem Berliner Senat nicht halt. So zeigten sich Klaus Wowereit (SPD) und Gregor Gysi (PDS) der Nutzung durch die ESMT aufgeschlossen, während Kultursenator Thomas Flierl (PDS), die ESMT lieber in einem anderen Gebäude sehen würde. So kamen die Vorschläge die ESMT im Schloss Schönhausen, in der alten Münze am Molkenmarkt oder in Karlshorst unterzubringen. Ein zusätzliches Problem war, dass der Senat gar nichts entscheiden konnte, da das Gebäude dem Bund gehört. Einmal im Berliner Lokalsumpf versickert, sah es zwischenzeitlich so aus, als würde das Projekt ganz nach München gehen.

Doch am 7.5.02 fiel in Verhandlungen mit dem Bund die Entscheidung, dass das Land Berlin das Staatsratsgebäude samt Grundfläche erhält und zum Ausgleich dem Bund andere Grundstücke überträgt. Das Land Berlin wird der ESMT keine Kosten für die Nutzung berechnen.

Konsequenzen für unsere Fak

Was können wir, die wir ja fast unmittelbare Nachbarn sind, von der Gründung der ESMT erwarten. Einerseits wird von Herrn Cromme (siehe Interview) die Kooperation mit den drei Berliner Universitäten beschworen. Doch steht zu befürchten, dass sich die Zusammenarbeit darin erschöpft, dass unsere Professoren mit internationalem Ruf, durch entsprechende Bezahlung abgeworben werden und sich bei uns das Problem der verlassenen Lehrstühle weiter fortsetzt, siehe Lehrstuhl für Ökonometrie. Ob Herr Plinke als zukünftiger Gründungsdekan der ESMT, jemals an unsere Fakultät zurückkehrt, ist meiner Ansicht nach zu bezweifeln.

Andererseits entwickelt sich Wissenschaft in Netzwerken und die Konzentration, von internationalen Wirtschaftsstars in unserer Nähe erhöht auch die Attraktivität unserer Fakultät, sowie Berlins. So könnte Berlin mit der ESMT, zwei Wirtschaftsforschungsinstituten, drei Universitäten, drei Wirtschaftsfachhochschulen und dzahlreichen Ministerien, zu dem bedeutendsten Wirtschaftswissenschaftstandort Deutschlands werden.

ww