THA - eine kritische Würdigung

Der Weg von der Planwirtschaft in die Marktwirtschaft

Unter dem Titel die Treuhandanstalt - ein kritische Würdigung luden Professor Burda und Birgit Breuel - die ehemalige Präsidentin der Treuhandanstalt - in diesem Semester jeden Montag zu Vorträgen und Diskussionen ein.

Wie schnell der in der Wirtschaftsgeschichte der Bundesrepublik einmalige Umstrukturierungsprozess der ost-deutschen Industrie in Vergessenheit gerät, konnte man direkt an unserer Fakultät miterleben. Bisher waren leider nur wenige Studierende an dieser Ringvorlesung interessiert, obwohl das Thema doch ein Stück Wirtschaftsgeschichte unseres Landes darstellt, welche auch zur Allgemeinbildung von Studenten der Wirtschaftswissenschaften gehören sollte. Böse Zungen behaupten gar die Reihen waren gefüllt mit Professoren, die ihren Feierabend aufgeschoben haben, interessierten Beamten und studentischen Hilfskräften (Spiegel 22/ 2003 Ortstermin). Sobald jedoch der Referent Rang und Namen hatte, füllte sich der Raum auch mit Studenten. Dabei waren aber insbesondere die Beiträge von Beteiligten, die unmittelbar an der Umgestaltung der ostdeutschen Wirtschaft mitwirkten, enorm bereichernd und von hoher Sachkunde geprägt.

Die ehemalige Chefin selbst begann die Vortragsreihe und referierte über ihre Zeit in der Treuhandanstalt. Birgit Breuel sprach über Aufgaben, Organisationsform, Rahmenbedingungen, Probleme, Entwicklung und Ergebnisse der Treuhandanstalt und gab damit selbst für uninformierte Zuhörer eine sehr gute Einführung in das Thema. Vertiefender setzte sich Dr. Norman van Scherpenberg als ehemaliger Leiter des Vorstandsbüros der Treuhandanstalt mit Aspekten wie Privatisierung versus Sanierung oder der Rekrutierung von falschem Personal auseinander.

Die Geschichte über die Privatisierung Carl-Zeiss-Jenas erzählte Dr. Lothar Späth - ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Jenoptik. Weitere Fallbeispiele lieferte unter anderem Prof. Dr. Bernhardt, der als Geschäftsführer der GPH (Gesellschaft zur Privatisierung des Handels mbH) für die Privatisierung des HO-Verkaufsnetzes, also auch die ostdeutschen Kaufhallen und ferner Hotels und Gaststätten, zuständig war. In einer Podiumsdiskussion des Mittelstandes referierten Gesellschafter über die von ihnen erworbenen Unternehmen. Wir hörten ausnahmslos Erfolgsstorys dieser Firmen, was wiederum mit dem Ruf der Treuhandanstalt in der Öffentlichkeit nicht übereinstimmt. Eine objektivere Darstellung wäre beispielsweise durch die Vorstellung einer fehlgeschlagenen Privatisierung glaubwürdiger gewesen.

Der Bundesfinanzminister a.D. Dr. Theo Waigel - dem die Treuhandanstalt unterstellt war - sinnierte vorrangig über die Wiedervereinigung anstatt das eigentliche Thema mit der Arbeit seines Ministeriums zu verknüpfen, um dabei die konkrete Einflussnahme der Politik auf die teilweise sehr umstrittenen Entscheidungen der Treuhandanstalt darzustellen. Weitere Abhängigkeiten vom wirtschaftlichen Umfeld wurden durch Dr. André Leysen, dem einzigen ausländischen Mitglied des Verwaltungsrates der Treuhandanstalt, erläutert. Bei diesem Vortrag hatte ich von der Themenstellung Die Treuhandanstalt im europäischen Kontext mehr Aussagen zur Einordnung der Leistungen der Treuhandanstalt im Rahmen der Sanierung und Privatisierung in die Aufgaben der EU als oberster Wettbewerbshüter erwartet. Schließlich hatte die Treuhandanstalt die Unternehmen vor und nach der Privatisierung durch finanzielle Beihilfen in mehrstelliger Milliardenhöhe vom Staat unterstützt. Dr. Kohlhausen (Aufsichtsratsvorsitzender der Commerzbank AG) referierte zur Rolle der Banken bei diesem Umwandlungsprozess. Dabei wurde aus meiner Sicht in der Diskussion erst deutlich, dass die Banken zwar den Prozess finanziell begleitet haben, aber in dieser Phase auf einer hohen Absicherung ihres Risikos durch die Bundesrepublik bestanden haben.

An die Vorträge schlossen sich Diskussionen mit zum Teil hochrangigen Persönlichkeiten an. So gehörten zum diskutierenden Publikum kaum Studenten, auch keine bezahlten studentischen Hilfskräfte - habe keinen einzigen der Burda-Hiwis dort gesehen - und auch keine Professoren die sich für die Thematik interessierten, sondern die an der Geschichte Beteiligten. Botschafter, Vorstandsmitglieder der Treuhandanstalt und - am wichtigsten - ehemalige Treuhandmitarbeiter trugen zu einer höchst interessanten und brisanten Aufarbeitung der Geschichte bei. Es wurde die verursachte Arbeitslosigkeit, der fragwürdige Privatisierungsweg und alternative Konzepte einer möglichgewesenen Umwandlung der ostdeutschen Wirtschaft diskutiert. Durch diesen Blick hinter die Kulissen sollte auch Kritikern und Gegnern der umstrittensten Institution der Deutschen Wiedervereinigung ihre eigene einseitige Meinung bewusst gemacht worden sein.

Wer sich nun angesprochen fühlt und seine Geschichtslücken füllen will, kann noch bis kurz nach Semesterende der Veranstaltung beiwohnen. Weiterhin wird die Ringvorlesung als Dokumentation aufbereitet. Eventuell ist noch eine Fortsetzung der Vortragsreihe geplant, denn ein wesentlicher Teil, nämlich eine Analyse rund zehn Jahre nach dieser Zeit über den Stand der ostdeutschen Wirtschaft insgesamt und über die Institutionen, die die Arbeiten der Treuhandeanstalt fortführen, ist in dieser Vorlesungsreihe bisher offen geblieben. Diese Themen könnten jedoch dazu beitragen, die von fast allen Referenten vertretene Auffassung, dass der beschrittene Weg der richtige war, zu belegen beziehungsweise auch dessen Schwachstellen zu offenbaren.

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