Professoren und ihre Studienzeit

Wenn ihr entnervt über den nächsten Klausuren brütet, dann fragt ihr euch vielleicht, ob diese Klausurensteller nie selber studiert haben. Oder ob sie in ihrer Studienzeit auch mal was anderes gemacht haben, als nur zu lernen.

Hermes: Wo und wann haben Sie studiert?
Prof. Burda: Ich habe 1977-1981 in Harvard studiert und dort meinen Abschluss in Volkswirtschaftslehre gemacht. Dann bin ich nach Deutschland gegangen und habe ein Jahr in Göttingen studiert. Danach bin zurück und habe in Harvard promoviert. Das bringt mich auf das Jahr 1987. Dazwischen war ich auch ein halbes Jahr als DAAD Forschungsstipendiat am Institut für Weltwirtschaft in Kiel.

Wieso haben Sie sich für ein Wirtschaftsstudium entschieden?
Ich wollte ursprünglich eigentlich Chemie studieren und habe mich sogar für die Kurse Mathe und Chemie eingeschrieben. In Amerika ist das nicht so streng im Grundstudium, man kann wirklich alles Mögliche belegen. Ich habe dann aber festgestellt, dass dieses Chemiestudium mehr oder weniger der Wunsch meines Vaters war, nicht mein eigener. Ich habe auch Kurse in VWL besucht und fand Wirtschaft sehr spannend, so dass ich dabei geblieben bin.

Waren Sie immer ein guter Student oder sind Sie auch mal durchgefallen?
Durchgefallen bin ich nie, aber so ein paar Schwachpunkte hatte ich schon. Als ich mich endgültig für das VWL-Studium entschieden hatte, war ich relativ dezidiert und habe sehr viel Zeit investiert. Wenn man genug Interesse an einem Fach hat, dann kann man Schwachpunkte schon korrigieren.

Waren Sie bei den Veranstaltungen immer anwesend?
Ja, klar. Das ist anders in Amerika. Das Studium kostet dort eine Menge Geld. Meine Eltern und ich haben es gemeinsam finanziert. Ich habe damals selbst Kredite mit der Bürgschaft des Bundesstaates Louisiana aufgenommen, weil ich für ein Stipendium nicht anspruchsberechtigt war. Deshalb kam es nie in Frage zu schwänzen, da schießt man sich selbst ins Bein.

Gab es Fächer, die Sie gehasst haben und was waren Ihre Lieblingsfächer?
Ich habe neben den VWL-Fächern Deutsch sehr gerne besucht. Aber da waren auch ein paar Dinge wie Creative Writing, die ich nicht gemocht habe.

Hatten Sie einen Studentenjob?
Ja, natürlich. Ich war Bar-Tender und habe Getränke gemixt. In Harvard gibt es super organisierte Catering-Dienstleistungen, bei denen man für Feten einen Barkeeper engagieren kann. Das haben vor allem Studenten gemacht. Die ziehen sich ein Jackett an, setzen einen Hut auf und mixen dann die Getränke für die Gäste. Man bekam dann fünf Dollar die Stunde plus Trinkgeld. Das war gerade genug als Taschengeld. Trotzdem habe ich das wirklich die ganze Zeit konsequent durchgezogen, vor allem in den Sommerferien. Die Ferien sind in den Staaten so gelegt, dass man wirklich so drei bis vier Monate frei hat und im Frühjahr vielleicht zwei bis drei Wochen.

Wie sah Ihr Studentenleben aus? Sind Sie abends viel weggegangen?
Klar, ich hatte Glück, in Cambridge leben zu dürfen, denn dort kann man wirklich viel machen, aber das Geld war immer so ein bremsender Faktor. Es fiel mir auf, dass die Leute, die bekanntlich reiche Eltern hatten, die ganze Woche quer durch die Kneipen zogen. Die meisten von uns haben das nur am Wochenende gemacht. In Göttingen war das anders, dort habe ich mehr gefeiert. Das sieht man ja auch auf dem einen Bild. Ich habe in einem Wohnheim mit deutschen Studenten zusammen gewohnt und hatte ein kleines Einzelzimmer. Es gab aber eine riesige Küche, wo wir auch viel gefeiert haben, wenn wir nicht in Göttingen unterwegs waren.

Hatten Sie lange Haare und Schlaghose?
(Prof. Burda lacht) Schlaghose?! Ich bitte Sie, so alt bin ich nicht. Ende der Siebziger war das schon out und in Göttingen war ich 1982.

Wieso sind Sie nach Deutschland gekommen?
Ich wollte im Ausland studieren und meine Noten waren, gerade bedingt durch meinen Studienort, nicht so gut, dass ich eines dieser prestigeträchtigen Stipendien wie Marshall-Fellowship bekommen konnte. Dafür braucht man wirklich Top-Noten, also 1,0 querdurch, und die Stipendiaten müssen auch Athleten sein. Ich war nicht unsportlich, aber nicht im Football-Team oder so was. Ich bin dann mit einem Stipendium der Rotary Foundation nach Göttingen gekommen. Das war eine schöne Sache, ich habe immer noch Kontakt zu den Leuten in Göttingen.

Deutsch ist schwer, wieso haben sie Deutsch gelernt?
Ich dachte mir, wenn ich ins Ausland gehen will, dann muss ich eine Sprache lernen. Französisch...na ja, ist schwer und Spanisch vielleicht weniger akademisch interessant und Deutsch fiel mir ein bisschen in den Schoß. Ich habe Latein in der Schule gemacht und ich war wirklich gut. Deutsch ist eigentlich die moderne Form von Latein, vor allem was die Aussprache angeht. Wenn man das richtig verinnerlicht hat, gibt es im Grunde keine Ausnahmen. Ich hatte auch super Lehrer, die waren alle sehr begeistert, kleine Gruppen, es lag mir einfach.

Wie sind Sie sprachlich gesehen dann in Deutschland zurecht gekommen?
Ich war schon gut vorbereitet. Zuerst habe ich am Goethe-Institut einen Schnellkurs belegt, wo man viel Schreiben und Lesen lernt. Das Gute an Göttingen war, dass dort ein ganz tolles Hochdeutsch gesprochen wird, was mir sehr viel geholfen hat.

Gibt es Unterschiede zwischen deutschen und amerikanischen Studenten?
Man sagt den Amerikanern nach, dass sie so sehr freundlich allen gegenüber sind, es dann aber an der Oberfläche bleibt. Die deutschen Studenten waren auf den ersten Blick immer ein bisschen verschlossen, wenn man sie aber kennen lernte, dann wurden sie richtige Freunde. Amerikanische Studenten sind jünger und wahr-schein-lich etwas unreifer. Sie beginnen ihr Studium mit achtzehn und sind schneller fertig. Auch sind sie weniger idealistisch als die Deutschen.

Wann haben sie gewusst, dass Sie Professor werden wollen?
Damals noch nicht. Nach Göttingen wusste ich zunächst gar nicht, ob ich wieder in das Ph.D.-Programm aufgenommen werde. Ich habe von Göttingen aus meine ganzen Bewerbungen losgeschickt und wurde dann auch genommen. So richtig klar geworden ist es mir aber erst im zweiten Jahr des Ph.D.-Studiums.

Was hat sich im Vergleich zu damals geändert?
Ich finde, Studenten waren damals viel romantischer, weniger pragmatisch. Damals gab es viele Demonstrationen gegen Pershing II-Raketen, auch für Frieden mit der DDR und alles mögliche. Es war auf jeden Fall unheimlich spannend. Ich habe mich immer versucht als nicht-amerikanisch zu tarnen, weil ich keinen Ärger haben wollte. Ich wollte nicht immer erklären, weshalb Ronald Reagan das macht, was er macht. Insgesamt gibt es heute weniger Studentendemos. Selbst jetzt während der Krise in Berlin. Ich hätte erwartet, dass viel mehr Studenten gegen die Finanzierungspolitik des Berliner Senats auf die Straße gehen. Die Studenten sind weniger idealistisch geworden. Das ist manchmal gut. Ich meine, sie studieren Wirtschaft, weil sie vielleicht Germanistik studiert hätten, aber sie wissen, dass die Berufschancen damit weniger rosig sind.

Was raten Sie den Studenten von heute?
Das ist eine gute Frage...die Studienzeit ist unglaublich schön. Man hat im Prinzip Zeit und in dieser Zeit sollte man eigentlich schon Spaß haben. Das gehört dazu, aber man sollte diese Zeit auch vernünftig nutzen. Es klingt irgendwie so altmodisch, aber das Lernen kostet sie jetzt weniger, es wird niemals wieder so billig sein. Die Studenten sollten auch die Möglichkeit nicht ausschließen, für eine gewisse Zeit ins Ausland zu gehen.

Wir danken Ihnen für das Gespräch!

Das Interview führten Kathleen Jaedtke und Astrid Zehbe