„Metro, boulot, dodo“ - Doppeldiplom in Paris

Paris - Eiffelturm und Champs Elysée. Die meisten Deutschen bekommen leuchtende Augen, wenn sie von Reisen in die französische Hauptstadt, von Baguette und Moulin Rouge berichten.

Den WiWi-Studenten der HU bietet sich jedoch eine andere Möglichkeit die Seine-Metropole kennenzulernen: Im Rahmen des Doppeldiplomprogramms der HU mit der Ecole Nationale de la Statistique et de l‘Administration Economique, kurz: ENSAE, können sie zwei Jahre lang im Pariser Vorort Malakoff studieren. Im Anschluß erhalten sie nach einem weiteren Jahr in Berlin gleichzeitig mit ihrem deutschen Diplom das französische Diplom als „statisticien économique“. In diesem Jahr sind wieder fünf Studenten aufgebrochen, um dieses Abenteuer zu wagen. Und als einer davon möchte ich einen kleinen Eindruck von unseren ersten Erfahrungen geben.

Anfang September - das Studienjahr beginnt hier viel früher als in Berlin - traf ich in Paris ein. Ein Zimmer in einem Wohnheim hatte ich in letzter Minute noch bekommen und so meine halbjährige Wohnungssuche noch erfolgreich abschließen können. Nicht nur, dass die Mieten in Paris viel höher als in Berlin ausfallen (500-600 Euro für ein möbliertes 12-Quadratmeter-Zimmer sind normal), nein, man muss auch noch dankbar sein, wenn man überhaupt eine findet. Viele Vermieter und auch private Wohnheime legen gerade ausländischen Studenten einige Steine in den Weg. So muss man als Student oft einen Bürgen vorweisen - so weit ja noch verständlich - doch dieser muss in Frankreich wohnen. Das ist für den deutschen Studenten natürlich schon etwas schwieriger. Ganz so gemein sind die Vermieter dann aber doch nicht: Eine Bankbürgschaft tut es auch. Natürlich nur von einer französischen Bank. Und dass man für die Eröffnung eines solchen speziellen Kontos einen französischen Wohnsitz braucht, kann man sich ja denken. Europa hat noch seine Hürden.

Doch mittlerweile haben es auch die letzten der HU-Ankömmlinge geschafft, eine Bleibe zu finden (dass mancher davon noch auf wenigen Quadratmetern und ohne Dusche haust, sei jetzt mal verschwiegen) und der sonstige Empfang hier war weitaus netter. In der ENSAE, die zu den renommierten „Grandes Ecoles“ gehört, wurden die Studenten der Université „Oumbolt“ ganz besonders herzlich willkommen geheißen. Auch die Mitstudenten, die mit 19-21 Jahren im Schnitt etwas jünger als wir sind, waren von Anfang an sehr offen. Die HU-Studenten absolvieren mit etwa 35 Kommilitonen den „Wirtschaftszweig“ des ersten Jahres der ENSAE-Ausbildung. Mikro, Makro und sonstige Wirtschaftsfächer stehen jedoch erst mal gar nicht auf dem Stundenplan. Algebra, Analysis, Maßtheorie, Statistik und etwas Informatik, das sind die Schwerpunkte des ersten Jahres. So sollen die mathematischen Kenntnisse der Wirtschaftsstudenten und derjenigen, die den Mathe-Zweig belegen, angeglichen werden.

Die französischen Kommilitonen haben vor der ENSAE in der Regel noch nicht studiert, sondern die sogenannten „Classes préparatoires“ besucht. Das sind spezielle Vorbereitungskurse während - meist 2 Jahre lang - der Stoff für die Auswahlverfahren („concours“) der Grandes Ecoles eingeübt wird.

Im Vergleich zu Berlin muss man hier in Paris weitaus kontinuierlicher und mehr arbeiten. In allen Fächern gibt es wöchentliche Übungen, für die man Aufgaben vorbereiten muss. Diese Übungen werden benotet, so dass man nicht darum herum kommt, an die Tafel zu gehen und Aufgaben vorzurechnen. Die Mathematik hier hat mit unseren Mathematik-Vorlesungen in Berlin nur wenig gemein. Theorie, Beweise und mathematische Logik steht im Vordergrund, die Anwendung für wirtschaftswissenschaftliche Zusammenhänge erst einmal überhaupt nicht.

Trotz viel Uni bleibt natürlich aber auch noch etwas Zeit für‘s Leben. Nach Mathenachmittagen werden schon mal Trivial Pursuit-Spiele „Deutschland gegen Frankreich“ ausgetragen, die ein oder andere Rotweinflasche geleert und die Gesprächsthemen wandern schnell weg von Cauchy, Schwarz und Co.

Die Sprache ist natürlich sowieso ein Thema für sich. Ich hatte bereits einige Jahre in Frankreich gelebt und somit keine größeren sprachlichen Probleme. Doch auch die anderen, die teilweise erst während des Studiums intensiver Französisch lernten, kommen gut klar. Natürlich gibt es Besonderheiten, die man sich immer wieder erklären lassen muss. Das „cad“ „c‘est à dire“ bedeutet (deutsche Übersetzung: „das heißt“), „qq1“ „quelqu‘un“ (also: jemand) oder K-Fet die Caféterie bezeichnet, lernt man schließlich nicht unbedingt im Französisch-Unterricht. Und „Bab“ steht auch hoch im Kurs. Das hat nichts mit der rheinischen Musik-Gruppe zu tun, sondern steht für „Baby-Foot“, also Kicker. Und wenn einem der Spaß angesichts hammerharter Mathe dann doch vergeht, bleibt ja noch der Galgenhumor.

Um viel von Paris zu sehen, ist das Doppeldiplom-Programm jedenfalls nicht das richtige Mittel. Gerade unterhalb der Woche passt man sich dem Pariser Rhythmus „Metro-Boulot-Dodo“ (Metro, Arbeit, Schlafen) an. Natürlich unterbrochen von einer Mittagspause, in der es ein 3-Gang-Menü für 2,26 Euro im Uni-Restaurant gibt. Dieses ist hinsichtlich Auswahl, Frische und Geschmack ein Highlight des Tages und kein Vergleich zu Berliner Mensa-Kultur.

Wer sich für das Doppeldiplom-Programm interessiert, sollte rechtzeitig mit dem Französisch-Lernen anfangen, der Mathematik und Statistik nicht ganz abgeneigt sein und den Mathe-Vorbereitungskurs, der auch in diesem Semester wieder neu startet, besuchen. Dieser Mathe-Kurs zieht sich über ein Jahr hin und vermittelt den HU-Studenten die Grundlagen, die sie für ihr Studium an der ENSAE brauchen.

[nh]