Erasmusurlaub in Amsterdam

Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie ich mich im Dezember 2002 für das Sokrates/Erasmus-Austauschsemester in Amsterdam beworben habe und mir im Januar des darauffolgenden Jahres eine Stimme am anderen Ende des Telefons die Zusage gab.

In diesem Augenblick schien alles noch so verdammt weit entfernt, denn ich wollte erst im Sommersemester des darauffolgenden Jahres weggehen.

Die zwei dazwischen liegenden Semester vergingen, die innere Organisation wuchs, bis ich schließlich mit dem nötigsten Gepäck am Ostbahnhof in den Nachtzug einstieg.

Es waren ungemütliche, kaum mit Schlaf ausgefüllte zehn Stunden Zugfahrt bis ich gegen 15 Uhr endlich das Gebäude der Central Station vor meiner Nase hatte.

In der niederländischen Hauptstadt angekommen wollte ich so schnell wie möglich zu meiner Unterkunft, dem Hospitium. Das ist ein Guesthouse nahe der Vrije Universitaet im schönen und ruhigen, bereits nicht mehr zu Amsterdam gehörenden, Amstelveen. Als ich mein Gepäck im10qm großen Zimmerchen, welches sich auf einem Korridor neben noch zehn anderen Zimmern befand, abstellte, trieb mich meine Neugierde in Küche und Bad. Da ich meine Erwartungen nicht all zu hoch gesteckt hatte, war ich von den vorherrschenden Zuständen auch nicht stark überrascht. In jenem Augenblick überstieg es jedoch meine Vorstellungskraft, dass ich mich in diesen nicht besonders hygienischen Räumen jemals wohlfühlen könnte.

Am nächsten Tag ging ich mit einer gewissen Unbestimmtheit zur Universität, um an der Einführungswoche teilzunehmen. Wir waren ungefähr dreißig neue Austauschstudenten, die mittels dieser Einführungswoche die Gelegenheit erhalten sollten, sich untereinander, die Universität und die Stadt Amsterdam besser kennen zu lernen. Ich muss sagen, dass diese, allerdings sehr anstrengende und massiv and den Kräften zehrende Woche, jedoch viel für die zwischenmenschliche Annäherung gebracht hat.

Die wirtschaftwissenschaftliche Fakultät ist nur eine der vielen anderen Fakultäten, die in ein sehr monströses Hauptgebäude integriert sind. Somit war es im Vergleich zu unserer äußerst gemütlich und nicht so überfüllt wirkenden Fakultät schon ein sehr ungewohntes Gefühl, fast jeden Tag einen so großen und vor allem modernen Fakultätskomplex zu betreten.

Daher habe ich in gewisser Weise unser Uni-Gebäude vermisst: Den Anblick des „Aquariums“, das Steigen der Treppen zu den Hörsälen anstatt die Benutzung des Fahrstuhls zu einer der insgesamt dreizehn Etagen
Mein Wohnheim lag ungefähr zwanzig Minuten mit dem Fahrrad oder mit der Tram vom Zentrum entfernt, so dass ich in den kalten Monaten Januar und Februar die Tram dem Fahrrad vorgezogen habe. Als die Tage allerdings begannen wärmer zu werden, war es einfach unmöglich, sich nicht auf sein Fahrrad zu schwingen und durch die engen Gassen mit den, für Holland so typischen, alten, schmalen Häusern zu radeln und eine Abkürzung durch die Parkanlagen einzuschlagen.

Was mich an dieser so bunt erscheinenden Stadt fasziniert hat, ist die überall in der Luft liegende und in den Gesichtern der Menschen ablesbare Lässigkeit. Vielleicht liegt es an der ständigen Präsenz des Wassers. Es gibt so viele kleine Grachten, an deren Brückengeländern unendlich viele Fahrräder lehnen. Besonders zu dieser Jahreszeit, wenn sich die Sonne häufiger blicken lässt, ist es märchenhaft, durch die für Fahrräder so optimal angelegte Stadt zu cruisen und über die zahlreichen Brücken zu fahren. Außerdem ist alles ungewohnt komprimiert. Da es, im Gegensatz zu Berlin, nur ein wirkliches Zentrum gibt, um das sich diverse Shops, Clubs, Bars und kulturelle Einrichtungen sammeln, ist es möglich, alles zu erlaufen.

Ich kann mit Sicherheit sagen, dass ich das Leben hier verdammt vermissen werde, insbesondere die muntere Geselligkeit im Wohnheim. Natürlich fiel es manchmal sehr schwer, sich konsequent auf das Studium zu konzentrieren. In gewisser Weise verständlich, wenn man am Schreibtisch sitzt und auf einmal eine plötzlich aufkommende Partystimmung im Floor darüber jegliche Konzentration zerstört. Die Mehrheit der Sokrates-Studenten im Wohnheim wurde von Spaniern und Italienern gebildet. Demzufolge haben sich zwangsläufig alle Bewohner deren Partymentalität untergeordnet. Nachdem ich die mit mir auf einer Etage lebenden Leute besser kennen gelernt habe und sich eine gewisse Vertrautheit eingestellt hatte, möchte ich mir in manchen Momenten gar nicht vorstellen in einer WG ohne sie zu leben.

Man hat hier einfach die Gelegenheit in andere Kulturwelten zu schnuppern, sich mit anderen Gewohnheiten, Sitten und Kuriositäten zu arrangieren und seine Sprachkenntnisse zu verbessern, indem man die Vielfalt der Nationen ausnutzt.

Ich kann diese Erfahrung jedem ans Herz legen. In diesem Sinne wünsche ich allen zukünftigen Sokrates/Erasmus-Studenten viel Spaß in dem von ihnen gewählten Land. Genießt es in vollen Zügen und ich versichere euch, dass es mitunter die lustigste, entspannteste, alkohol- und partyintensivste Zeit in eurem Leben sein wird.

Liebe Grüße, Katja