ENTSCHULDIGUNG…

„Hallo!?“ in der S-Bahn … „ne viertel Stunde“ … „o.k. Ciao.“ Ein derart dringendes Handygespräch kreuzt unseren Gehörgang regelmäßig. Das Bedürfnis, sich mitzuteilen, beziehungsweise ständig über die vermeintlich wichtigen Dinge des Lebens informiert zu werden, ist nur schwer zu steigern.

Handys bestimmen unseren Alltag. Es vergehen kaum fünf Minuten, ohne dass irgendwo ein äußerst originelles, meist nicht zu überhörendes Klingeln, die bis dahin mehr oder weniger herrschende Ruhe stört. Kommunikation ist schon was Schönes und ist nicht nur privat, sondern auch beruflich von großer Bedeutung, wo sie dann in die Kategorie „Soft Skills“ fällt. Kommunikativ zu sein zählt zu den unumgänglichen Voraussetzungen, die benötigt werden, um in Fach- und Smalltalkgesprächen immer den passenden Kommentar parat zu haben und die Unterhaltung nicht einschlafen zu lassen. Um letzteres vermeiden zu können, stehen ausreichend Angebote an Rhetorikkursen, Bewerbungstrainings und die dazugehörige Lektüre zur Verfügung. Die Fähigkeit zur Kommunikation - mit allem, was dazu gehört - hat zu jeder Zeit abrufbar zu sein. Wenn man die Euphorie und Intensität beobachtet, in der auf dem Bahnhof, in der Uni und an allen anderen Orten, wo kein strenges Handy-Verbot gilt, SMS verschickt und Telefongespräche geführt werden, könnte man beinahe den Eindruck gewinnen, dass unsere Gesellschaft selten kommunikativer war.

Und dennoch gibt es oft genug Momente, in denen uns Handy-Usern offensichtlich die Sprache fehlt und die guten Regeln von Knigge irgendwo ungenutzt in unseren grauen Zellen dümpeln. So kommt es, dass sich die im folgenden geschilderten Situationen genau so und in abgewandelter Form in meine persönlichen Erfahrungen reihen.

Ich sitze im Bus, leider nicht auf der Fensterseite. Nach einiger Zeit vernehme ich - leicht in Gedanken versunken - das Rascheln einer Tüte. Kurz danach erneut, begleitet von dem Räuspern meines Sitznachbarn. Reflexartig drehe ich mich um und frage: „Möchten Sie aussteigen?“ Daraufhin strahlt sein ganzes Gesicht nickend vor Erleichterung. Der Mann steigt aus und hinterlässt mich in einem etwas perplexen Zustand. „Entschuldigung, ich möchte an der nächsten Station aussteigen!“ wäre doch unkomplizierter gewesen als meine Auf­merksamkeit mit Hilfe einer Plastiktüte zu erreichen.

Ich fahre mal wieder mit der BVG, diesmal U-Bahn und einen Sitzplatz habe ich auch bekommen, nur ist die Aussicht für meinen Geschmack ein bisschen trist. Trotzdem versuche ich es mir bequem zu machen, stelle meine Tasche neben mich, nehme ein Buch zur Hand und entferne mich gedanklich von den Menschen um mich herum. Plötzlich scheint sich meine Tasche selbständig zu machen und rückt unsanft näher. Ich sehe mich um und erkenne schnell die Ursache: eine Frau mittleren Alters hat sich neben mir niedergelassen. Wieder habe ich denselben Gedanken: Ist es so schwer, etwas zu sagen?

Manchmal ist die Situation auch anders herum. Ich eile zum einzigen leeren Sitzplatz, der jedoch von dem Rucksack eines Teenagers besetzt wird. Regungslos, mit einem fast provozierenden Gesichtsausdruck reagiert er auf meinen erwartungsvollen Blick. Ich wende die ei­gentlich paradoxe Frage „Entschuldigung, ist der Platz noch frei?“ an und bringe ihn letztend­lich dazu, mir Augen verdrehend Platz zu ver­schaf­fen.

Ich finde es schade, dass unsere Kommunikationsfähigkeit außerhalb unseres Berufslebens und Freundeskreises so selten zum Tragen kommt. Ebenso bedauernswert, dass Tage, an denen andere uns die Tür aufhalten und uns nicht durch deren Rückschwung direkt in die Bewusstlosigkeit befördern etwas Besonderes sind. Dabei würden wir uns die Monotonie des Alltags erträglicher machen, wenn wir freundlicher und höflicher miteinander umgingen. Dazu fällt mir ein Zitat von Viktor Borge ein : „Die kürzeste Verbindung zwischen zwei Menschen ist ein Lächeln.“ Eventuell könnte das ein erster Schritt sein.

Sabrina