Professoren und ihre Studienzeit

Wenn ihr entnervt über den nächsten Klausuren brütet, dann fragt ihr euch vielleicht, ob diese Klausurensteller nie selber studiert haben. Oder ob sie in ihrer Studienzeit auch mal was anderes gemacht haben, als nur zu lernen.

Hermes: Wo und wann haben Sie studiert?

Prof. Blankart: Ich habe an der Universität Basel von 1962 bis 1967 Volkswirtschaftslehre studiert und von 1967 bis 1969 dort promoviert.

Wie kamen Sie zum Studium der Volkswirtschaftslehre?

Am Anfang hatte ich eine Entscheidung zwischen Jura und Volkswirtschaftslehre zu treffen. Jura studierten die feinen Leute, Volkswirtschaftlehre die Newcomers. Nach einigen Vorlesungen erkannte ich, dass sich die Ökonomik mit Menschen aus Fleisch und Blut befasste, während die Juristen Menschen in Begriffen wie Grundrechtsträgern, Anspruchsberechtigten, Straftätern usw. typisierten. Da fand ich die Ökonomik viel interessanter und ich muss auch sagen, dass mir die Professoren dort mehr zugesagten.

Waren Sie während ihres Studiums ein guter Student oder hatten Sie auch Durchfaller zu beklagen?

Ich war eigentlich ein sehr mittelmäßiger Schüler. An der Universität hat mir allerdings die Ökonomik die Augen geöffnet. Die ganze Lehre enthüllte sich als ein in sich stimmiges Gebäude. Dann lief alles ganz gut.

Hatten Sie Lieblingsfächer und solche, die Sie gar nicht mochten?

Betriebswirtschaftslehre war ein noch sehr unterentwickeltes Fach mit viel Begriffsheberei. Daher war ich glücklich, es propädeutisch erledigen zu können. Im Zentrum stand die Makroökonomik, insbesondere die Wachstumstheorie. Es überwog der Glaube an die Steuerbarkeit der Wirtschaft.

Am Horizont tauchten aber auch schon Arrow und sein Unmöglichkeitstheorem sowie Buchanan und Tullock’s Verfassungstheorie auf, die den Glauben in die Machbarkeit der Wirtschaft in Frage stellten.

Wie haben Sie Ihr Studium finanziert?

Es gab Studiengebühren und zwar pro belegte Vorlesung. Das Geld ging an den Professor. Dafür erhielt der Student von diesem am Anfang und am Schluss der Vorlesung das Testat. Daher hielten die Professoren die lukrativen Großvorlesungen und die Assistenten die Übungen. Das System war – wie wir heute sagen – anreizkompatibel: Je besser die Vorlesung des Professors, desto mehr konnte er verdienen. Im übrigen war das Studium nicht so teuer: Ein Kaffee kostete 35 Rappen, und ein Bier 50 Rappen.

Welche Musik haben Sie damals gehört?

Ja, das waren natürlich die Beatles, die wir bewundert haben!

Was haben Sie während Ihres Studiums Abends gemacht - gelernt, geschlafen oder gefeiert?

Weil das Leben wie erwähnt so kostengünstig war, haben wir natürlich auch ausgiebig gefeiert, in der Stadt und auf dem Lande mit und ohne Mädels. Über Mittag erquickte ein Sprung in den damals noch ziemlich sauberen Rhein (wobei man punkto Sauberkeit damals noch nicht so anspruchsvoll war wie heute).

Wie unterscheidet sich das damalige vomheutigen Studium?

Ursprünglich schlossen die Studierenden ihr Studium mit dem Doktorat ab. Ich gehörte zu den ersten Jahrgängen, die ein Lizentiat, das heißt ein Diplom bestehen mussten. Doch das alles war noch ziemlich ungeregelt. Als Faustregel galt: Wer ins Lizentiat wollte, musste die erwähnte Propädeutik ablegen und im Übrigen bei jedem examensrelevanten Professor eine benotete Seminararbeit schreiben und vortragen, damit dieser ihn kennen lernte.

Damals gab es auch noch nicht so große Massenveranstaltungen wie heute. In den Seminaren hatte man maximal 20 Studenten und in den großen Vorlesungen höchstens 80. In den Seminaren war Rauchen gestattet. Zudem haben sich die Studenten äußerlich sehr stark verändert. Wir gingen damals mit Schlips und Jackett zur Universität, das war so üblich. Die Professoren waren Autoritätspersonen und entsprechend zaghaft die Studenten. Sie überlegten sich genau, ehe sie in den Seminaren etwas sagten, um sich keine Blöße zu geben. Das hatte auch seine Vorteile. Man muss bedenken: Das war alles noch vor der 68er Revolution. Als ich dann als Assistent 1969 an die Universität Konstanz kam, da war das wie ein Sprung ins kalte Wasser.

Können Sie sich erinnern, wann Sie das erste Mal das Wort Globalisierung gehört haben?

Als kleines Land musste die Schweiz sich stets auf den Weltmärkten behaupten. Daher war Globalisierung für uns schon damals selbstverständlich, nur der Name war unbekannt. Allerdings bezog sich die Globalisierung nur auf die freie Welt. Der Osten war vom Westen abgeschottet. Erst in den 90er Jahren mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion erhielt die Globalisierung auch in meinem Bewusstsein die heutige Bedeutung.

Gibt es einen Unterschied zwischen Schweizer und Deutschen Studenten?

Heute nicht mehr, damals aber schon. Wir hatten in Basel sehr viele deutsche Studenten. Die Schweizer waren etwas zurückhaltender. Die Deutschen, schon stärker mit den Härten des Lebens konfrontiert, waren uns in dieser Hinsicht etwas voraus.

Was würden Sie Studenten von heute raten?

Man sollte das Vordiplom unabhängig von den Noten schnell hinter sich bringen und sich dann im Hauptstudium auf die wichtigen Arbeiten konzentrieren. Meiner Meinung nach lernt man am meisten in Seminaren, deswegen sollte man Seminare Klausuren vorziehen, auch wenn dies für den Lehrenden mehr Arbeit bedeutet.

Ich danke Ihnen für das Interview.

Das Interview führte Wolfram Wilde.